Silberband 105 - Orkan im Hyperraum
Wänden.
Rhodan schlang einen Strick um seine Taille und gab das andere Ende an Atlan weiter. Sie fingen an, mit den nächststehenden Männern und Frauen eine Kette zu bilden.
Das Licht wurde noch düsterer. Das Riesenschiff schien jetzt zu beben. Kleinere Biophore-Wesen huschten kläglich schreiend über den Boden.
»Wir brechen auf!«
Der Terraner wandte sich dem Haupttor zu, hinter dem ein Korridor zur Hauptzentrale führte. Er schätzte, dass sie zwei bis drei Stunden brauchen würden, um ihr Ziel zu erreichen. Dabei kalkulierte er, dass sich die Situation nicht weiter verschlechterte. Rhodan wusste, dass sein Optimismus durch nichts begründet war – im Gegenteil. Er musste vielmehr damit rechnen, dass der Sturm neue unangenehme Überraschungen brachte und die Mannschaft am Vorankommen hinderte.
Eine aus fünfzig Menschen bestehende Schlange wand sich träge auf den Ausgang der Halle zu.
Geraume Zeit verging, bis Rhodan von einer Anhöhe aus in die Halle zurückblicken konnte. Er sah drei weitere Schlangen aus Menschenleibern, die sich mühsam vorankämpften.
Über vier Wochen hinweg hatten sie alle sehr viel ertragen müssen. Rhodan fragte sich unwillkürlich, was jeden Einzelnen dazu trieb, derartige Anstrengungen zu vollbringen.
Obwohl er bislang vergeblich auf eine Botschaft von ES wartete, wünschte der Terraner, er hätte jetzt endlich eine mentale Verbindung zu dem Geistwesen bekommen. Doch ES befand sich selbst in allerhöchster Gefahr, war womöglich in eine Materiequelle gestürzt. Von dieser Seite war kein Zuspruch zu erwarten.
Verbissen stampften sie alle weiter auf das Haupttor zu, durch die eiskalte gläserne Luft und ihre gefrorenen Blasen. Sie erreichten ihr Ziel und warteten, bis alle Angehörigen des Trupps wieder vereint waren, um gemeinsam in den Korridor einzudringen. Der Sturm, den sie ohnehin längst hassten wie einen persönlichen Feind, gewann eine noch schrecklichere Dimension. Die Blasen glühten plötzlich, sie versprühten Feuer und Eis, und ohne ihre Schutzanzüge wären die Menschen spätestens jetzt rettungslos verloren gewesen.
Energieschwaden aus dem Hyperraum liefen in blauen Riesenfahnen an der Decke entlang. Flammenzungen leckten über den Boden und umflossen die Beine der Marschierenden. Die Wände schienen in sich zusammenzustürzen, und aus den Tiefen des Schiffes rollte ein dumpfes, unheimliches Stöhnen heran. Es war, als wolle der gigantische Kugelkörper auseinanderbrechen.
Was immer die Ansken über ihren Obersten Beobachter Prisaar Honk gesagt hatten, war der Wahrheit niemals völlig gerecht geworden. Das erkannte Körter Bell mit Staunen und Bewunderung. Während das Chaos um ihn herum immer größere Ausmaße annahm, hatte Prisaar Honk, der Rücksichtsloseste und Härteste von allen, das antistatische Feld aufgebaut.
Die Bekämpfung des in der Zentrale schwebenden Staubes war angesichts aller anderen Bedrohungen sicher eine Farce, aber sie war zugleich ein Zeichen für den ungebrochenen Willen, die eigene Macht zu erhalten. Honk kauerte gebeugt hinter den in aller Hast aufgebauten Geräten. Der Staub zog sich zu einer dichten Wolke über dieser Anlage zusammen. Als sei er lebendig geworden, löste er sich überall.
Bell schaute dem Obersten Beobachter schweigend und fasziniert zu. Er war überzeugt davon, dass Honk trotz seines sichtbar werdenden Erfolgs um die Sinnlosigkeit dieses Triumphes wusste. Ein unbedeutender, ein vergeblicher Sieg.
»Wir müssen hier weg!«, zeigte der Außerordentliche Kräftebeharrer an. »Die Zentrale ist zu gefährlich. In dieser Situation können wir zu leicht von dem Ding überwältigt werden, das hier eingeschmuggelt wurde.«
Ein Schatten legte sich über Honks Facettenband, ein Anflug von Ärger. »Wozu haben wir die ganze Zeit über gekämpft?«, fragte dieser Blick. Doch der Oberste Beobachter war nicht bereit, seinen Widerspruch zu artikulieren. Er blieb sich selbst treu und gehorchte; vielleicht sah er auch ein, dass Körter Bell recht hatte.
»Wir werden hierher zurückkommen!«, schwor der Anführer der Ansken.
»Und wenn – nichts wird je wieder so sein wie früher«, entgegnete Honk.
»Wir ziehen uns zum zweiten Mal aus der Zentrale zurück und werden wie beim ersten Mal wiederkommen!«
Natürlich war diese Situation nicht mit der vor einigen Tagen zu vergleichen. Da war der Rückzug eine strategische Finte gewesen. Diesmal ergriffen die Ansken die Flucht. Warum muss das ausgerechnet während meiner
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