Silberband 105 - Orkan im Hyperraum
Aber erst nachdem er sich noch einmal davon überzeugt hatte, dass niemand in der Nähe war, löste er die Halterungen der Maske.
In Alaskas Bewusstsein hatte sich ein deutliches Bild des Organklumpens eingeprägt. Vor seinem geistigen Auge sah er eine mehr oder weniger grell leuchtende Substanz. Vom ästhetischen Standpunkt war das Cappinfragment durchaus schön. Auf die Frage, warum er selbst beim Betrachten dieser unheimlichen Zellstruktur nicht den Verstand verlor, wusste er keine Antwort.
Saedelaere nahm die Plastikmaske ab und befestigte sie an seinem Gürtel. Langsam, als fürchte er den bevorstehenden Anblick, hob der hagere Mann die polierte Metallscheibe.
Schließlich blickte er hinein.
Der Plan, innerhalb der riesengroßen Station, in die er verschleppt worden war, nach Leidensgenossen zu suchen, verlor in dem Maß an verführerischer Kraft, in dem er sich als scheinbar unrealisierbar herausstellte.
Nachdem Orbiter Zorg den Entschluss gefasst hatte, sich mit anderen Gefangenen in Verbindung zu setzen, hatte er sich den verschiedensten Wesen genähert – und jedes Mal hatten ihm nur seine Kraft und Schnelligkeit das Leben gerettet.
Im Grunde genommen, dachte der Voghe, während er sich auf die Suche nach einem neuen Versteck machte, war alles ein Verständigungsproblem. Es genügte nicht, vor ein Intelligenzwesen, das seiner Ansicht nach einen guten Geschmack hatte, hinzutreten und freundliche Gesten zu machen. Das löste mit großer Wahrscheinlichkeit eine Serie von Missverständnissen aus, die früher oder später in eine Auseinandersetzung übergingen. In dieser Umgebung, das war die Lektion, die Orbiter Zorg soeben lernte, konnten nur die Misstrauischen überleben.
Das bedeutete, dass er zunächst die Spielregeln erkennen musste, nach denen an diesem Ort verfahren wurde, und das erschien ihm als schier unlösbare Aufgabe. Geduld war nie die Stärke des Orbiters gewesen, jedenfalls nicht, seitdem er den Kontakt zu Igsorian von Veylt verloren hatte.
Seine verzweifelte Suche nach dem letzten Ritter der Tiefe hatte ihn von Anfang an in eine Atemlosigkeit versetzt, deren er sich erst in diesem monströsen Gefängnis richtig bewusst geworden war. In all den Jahren, in denen er nach einer Spur des Ritters gesucht hatte, war er niemals zur Ruhe gekommen. Nun musste er seine Verhaltensweise schon aus reinem Selbsterhaltungstrieb ändern.
Der Voghe kroch zwischen die Maschinenblöcke, löste eine Verkleidung und schob sie vor den Spalt, durch den er in dieses Versteck gelangt war. Zum ersten Mal seit Langem gab er seiner Müdigkeit widerstandslos nach.
Seine Gedanken verloren sich, sie kreisten um vergangene Ereignisse. Er erinnerte sich an das entscheidende Geschehen – das bisher niederschmetterndste in seinem Leben –, an seine Trennung von Igsorian von Veylt.
Orbiter Zorg – Die Niederlage:
Während sie mit vielfacher Lichtgeschwindigkeit durch den Kosmos rasten, bildeten die ZYFFO und die PYE eine Konstellation, die der eines winzigen Sonnensystems entsprach. Die PYE mit Orbiter Zorg an Bord umkreiste also in einem zusätzlichen Bewegungsablauf das Schiff des Ritters. Der Voghe saß an den Kontrollen der PYE und beobachtete die Ortung. Igsorian von Veylt hatte ihn angewiesen, jeden ungewöhnlichen Vorfall zu melden. Der Ritter selbst bereitete sich offenbar auf einen Kampf vor. Seltsamerweise schien Igsorian von Veylt immer genau zu wissen, wo Recht und Ordnung bedroht waren. Er eilte mit einer Schnelligkeit zu den jeweiligen Einsatzorten, die keine andere Erklärung zuließ. Orbiter Zorg hätte gern gewusst, woher sein Auftraggeber die Informationen bezog.
Orbiter Zorg fragte sich auch, ob Igsorian von Veylt sich überhaupt der Aussichtslosigkeit seiner Anstrengungen bewusst war. Wo immer der Ritter eingriff und der Gerechtigkeit zum Sieg verhalf, schloss er nur ein winziges Leck gegen die Flut von Barbarei, die sich über das bekannte Universum zu ergießen drohte. Allein auf sich gestellt, trug der letzte Überlebende des Wächterordens einen ebenso heroischen wie vergeblichen Kampf aus.
Vielleicht handelte Igsorian von Veylt unter einem inneren Zwang, einer Bestimmung folgend, der er sich nicht entziehen konnte. Nur ein einziges Mal hatte der Ritter in einem Funkspruch an seinen Orbiter diesen Aspekt seines Daseins erwähnt: »Ich muss ausharren, bis andere kommen, die meine Aufgabe fortführen. Meine Nachfolger werden besser ausgerüstet sein, als ich es bin.«
Einer Legende
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