Silberband 106 - Laire
Gavro Yaal machte sich an den Rückweg.
Als er ins Freie hinaustrat, kamen die Wissenschaftler von der TUNDRA mit ihren Untersuchungsgeräten. Yaal wechselte einige Worte mit ihnen. Erst jetzt fiel ihm auf, dass der Olliwyner nicht mehr hinter ihm war. Er kehrte in den Hügel zurück, brauchte aber nicht weit zu gehen. Quohlfahrt kam ihm mit Insekten-Sue entgegen.
Plondfair beobachtete die Südberg-Libelle, die mit ruckenden Bewegungen zwischen den Gitterstäben des schmalen Fensters kroch. Nur wenig Licht fiel in die Zelle. Das giftige Tier befand sich im Zustand höchster Erregung.
Tausend Gedanken gingen Plondfair durch den Kopf. Was würde geschehen, wenn er an einem Insektenstich starb? Würden die Kryn von einem Alles-Rad-Urteil sprechen, und wäre dann nicht auch Demeter verloren, ganz gleich, was sie sagte? Der Lufke presste die Lippen zusammen. Schweiß perlte auf seiner Stirn. Das Schicksal der wyngerischen Völker wurde vielleicht von einem Insekt bestimmt, das etwa so lang war wie ein Finger.
Plondfair sah sich nach einem Gegenstand um, mit dem er die Libelle erschlagen konnte. Er fand keinen. Deshalb streifte er einen seiner Stiefel ab. Er holte gerade zum Schlag aus, als die Tür seiner Zelle geöffnet wurde. Die Südberg-Libelle flog sirrend davon.
Plondfair drehte sich um.
In der offenen Tür stand ein Kryn. Es war Wimbey, der zu ihm aufsehen musste. Spöttisch zeigte der Flottenkryn auf den Stiefel in der Hand des Lufken. »Wolltest du damit die Worte des Alles-Rads verbreiten?«, fragte er.
»Ich wollte nur ein hässliches Insekt töten«, erwiderte Plondfair ruhig. Drohend schwenkte er den Stiefel, konnte Wimbey aber nicht beeindrucken.
Gelassen stemmte sich der Kryn die Fäuste in die Seiten. »Ein prügelnder Bote des Alles-Rads«, sagte er. »Welch ein Ereignis! Das Volk wird lange davon sprechen, dass der Gesandte des Alles-Rads seine Botschaft mit Fäusten und Stiefeln verbreitet.« Er lachte spöttisch, ging zu einem Hocker und setzte sich. »Um es nicht zu vergessen, will ich dir gleich sagen, dass wir uns ausführlich mit Demeter unterhalten haben. Sie hat gestanden, dass alles nur ein Trick war, mit dem sie bekannt werden wollte.«
»Das soll Demeter gesagt haben?« Der Lufke schüttelte den Kopf. »Für wie dumm hältst du mich, dass ich einen derartigen Unsinn glauben soll?«
»Nun, ich weiß, dass du nicht dumm bist, Plondfair. Du bist vielmehr äußerst intelligent. Auch Demeter ist das. Wir haben natürlich ein wenig nachgeholfen. Freiwillig hätte sie kaum gestanden.«
Plondfair machte zwei schnelle Schritte auf den Kryn zu, packte ihn am Kragen und zerrte ihn hoch. »Was habt ihr mit Demeter gemacht?«, keuchte er und schüttelte Wimbey.
Harte Fäuste schlugen auf ihn ein und warfen ihn zu Boden. Halb betäubt blickte Plondfair auf die Wächter, die unbemerkt hereingekommen waren und ihn von hinten angegriffen hatten. Er schüttelte den Kopf, um die Benommenheit zu vertreiben.
»Wir verabscheuen Gewalt«, erklärte Wimbey. »Wir haben subtilere und weitaus wirksamere Methoden. Du wirst ebenfalls reden.«
Plondfair richtete sich wieder auf. »Niemals«, erwiderte er. »Ihr könnt mich nicht zu einem Geständnis zwingen, das nicht der Wahrheit entspricht.«
»Das würden wir auch nie tun«, behauptete Wimbey.
Der Lufke blickte ihn erstaunt an. »Du hast eben erklärt, dass du mich zum Reden zwingen willst.«
»Du hast mich falsch verstanden. Ich werde nur dafür sorgen, dass du die Wahrheit sagst. Weiter nichts.«
»Jetzt geht mir ein Licht auf: Du meinst eine andere Wahrheit als ich. Du willst mich zwingen, der Öffentlichkeit deine Wahrheit zu verkünden. Das werde ich mit Sicherheit nicht tun. Die Wahrheit ist, dass Demeter und ich vom Alles-Rad kommen und von ihm beauftragt worden sind, die Botschaft zu verkünden. Sie lautet: Die Verbotenen Zonen existieren nicht mehr.«
»Das ist eine Lüge.« Wimbey musterte Plondfair zornig. »Wir haben einen Test gemacht. Ein kleines Raumschiff der Kryn ist in die Verbotene Zone eingedrungen, in der angeblich das Alles-Rad existiert. Die Besatzung ist tot. Wir haben damit einen unwiderlegbaren Beweis.«
Wimbey drehte sich um und verließ mit den Wachen die Zelle. Krachend fiel die Tür hinter ihm zu.
Plondfair stand wie gelähmt da. Hatte Laire die Verbotenen Zonen tatsächlich nicht aufgehoben? Oder hatte Wimbey gelogen? Er fluchte, weil erneut Zweifel in ihm nagten.
Plondfair wusste nicht, wie lange er grübelnd vor
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