Silberband 111 - Geburt einer Dunkelwolke
Zahlreiche Einwohner waren zu sehen. Zivile Gleiter verkehrten wieder, aber sie beförderten keine Personen, sondern Güter des täglichen Bedarfs. Anscheinend hatten die Orbiter dieses Zugeständnis gemacht. Sie mussten eingesehen haben, dass eine Großstadt wie Trade City ihre Einwohner nur dann versorgen konnte, wenn ausreichend Fahrzeuge zur Verfügung standen.
»Hoffentlich hat Anson Argyris noch einen Trumpf im Ärmel«, sagte Kayna. »Seine Nachricht an die Orbiter kann die Invasoren höchstens für ein paar Tage hinhalten. Dann werden sie es sich nicht länger gefallen lassen, dass die mobile Positronik ihre Maßnahmen sabotiert.«
»Ich bin fest davon überzeugt, dass Argyris einen guten Trumpf im Ärmel hat«, meinte Simudden lächelnd. »Wer so optimistisch ist wie er, muss jede Menge gute Gründe dafür haben.«
Er lenkte den Gleiter in die Mündung eines Fernverkehrstunnels. Ungefähr eine Stunde später schwebte das Fahrzeug in Raumhafennähe.
Es war heller Tag. Die Flibustier sahen rund fünfzig Keilschiffe unterschiedlicher Größe vor sich. Sie sahen außerdem, dass im Hintergrund des Raumhafens zwei Schiffe von der Piste der zum Hafen gehörenden Werft abhoben.
»Das Wetter ist viel zu schön, um sich in eine öde Zelle sperren zu lassen«, schimpfte Markon Treffner.
Niemand erwiderte etwas darauf. Eigentlich stimmten sie dem Ara zu. Aber sie wussten auch, dass sie ihren vorgezeichneten Weg gehen mussten, wenn sie ihr Gesicht nicht verlieren wollten – und das war fast alles, was ihnen nach ihrer Vergangenheit noch ein gewisses Maß an Selbstachtung gab.
Nichts rührte sich bei den Keilschiffen, auch nicht bei dem GAVÖK-Schiff, aus dem Simudden den Gleiter entwendet hatte. Der Akone steuerte das Fahrzeug bis vor eine Hangarschleuse der VARAULT VENCHKE und hielt es dort in der Schwebe.
Kayna Schatten rief die Zentrale des GAVÖK-Schiffes über Standardfrequenz. Auf dem Holoschirm erschien das Gesicht einer Tobbon-Type.
»Ja?«
»Wir wollen den Gleiter zurückgeben, den wir uns für einen kleinen Ausflug geliehen hatten«, sagte Kayna gelangweilt.
»Den was ...?«, stotterte der Orbiter. »Hier hat niemand einen Gleiter geliehen. Oh ...«
»Genau!«, sagte die Planerin.
Auf dem GAVÖK-Schiff heulte der Alarm. Sekunden später fielen die Sirenen der SIRKON-BAL ein. Die Bodenschleusen beider Raumer wurden geöffnet. Hunderte Orbiter stürmten heraus, zugleich verließen etwa zwanzig Gleiter die SIRKON-BAL.
»Das ist doch ein überaus herzlicher Empfang«, kommentierte Pearl Simudden ironisch. »Zu sehen, dass alle sich über unsere Rückkehr freuen, tut richtig gut.«
Kaiser Anson Argyris empfand freudige Erregung, als er, der Vario-Roboter, nach langer Zeit wieder in die Kokonmaske schlüpfte, die ihm geistig am nächsten stand und mit der allein er sich hundertprozentig identifizierte – in die Maske des Freihändlerkaisers.
Kaum hatte sich der eiförmige Körper zwischen die Organe der Maske gezwängt, da fuhr er schon Ortungskopf und Teleskopglieder aus. Die Rumpföffnung schloss sich, der Eigenkreislauf der Biomaske wurde aktiviert. Nacheinander fielen die Versorgungsschläuche ab.
Anson Argyris erschauerte, als seine Lungen sich mit Luft füllten. In die eben noch matten Augen trat Leben. Dann transportierte die Deckenhalterung den Kaiser zum Prüfpodest, wo er durchgecheckt und freigegeben wurde.
Anson Argyris stieg von dem Podest und stellte sich vor einen Feldspiegel. Lächelnd musterte er die Wiedergabe des zwei Meter großen, breitschultrigen Mannes mit dem derb geschnittenen Gesicht und dem schwarzen gekräuselten Bart, der bis zum Brustbein reichte und von dort aus zu zwei Zöpfen geflochten war. Die Zopfenden waren unter den großen Howalgonium-Epauletten festgeklemmt.
Seine Kleidung bestand aus einer dunkelroten Seidenhose, zu der er hüfthohe weiche Lederstiefel trug; im linken Stiefel steckte ein Desintegratormesser. Über einem bunt bestickten Oberhemd trug Argyris die lose fallende dunkelrote Jacke, die auf der Brust von vier goldenen Schnüren zusammengehalten wurde.
Der breite Ledergürtel enthielt das Halfter für den Kombilader und, als sicher wichtigsten Bestandteil, die runde, zwanzig Zentimeter durchmessende goldfarbene Schnalle, in der sich ein siganesischer Mikrogenerator zur Erzeugung des Individualschutzschirms befand. Die Eigenstrahlung des Mikrogenerators überlagerte die schwachen Emissionen der Energiestation des Vario-Roboters.
»Wir
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