Silberband 113 - Der Loower und das Auge
noch.«
»Soll ich einen Telepathen holen, damit der Ihnen sagt, was in diesen Zellen noch vorgeht? Das Blut dieses Mannes kann längst nicht mehr genug Sauerstoff transportieren, und die Einblutung im Stammhirn hat den Rest besorgt. Lassen Sie ihm endlich seine Ruhe, Slassis. Wir können nur noch hoffen, dass es uns möglich sein wird, die anderen Patienten vor einem solchen Ende zu bewahren.«
»Formirough ist mein Patient«, betonte Slassis stur. »Ich treffe die Entscheidung, nicht Sie, Alfanter. Und dieser Mann ist erstens Ara und zweitens Arzt. Wenn er gewusst hätte, was mit ihm geschehen wird, so hätte er darauf bestanden, dass ich ihn so lange wie möglich am Leben erhalte, damit wir neue Erkenntnisse gewinnen können.«
Alfanter blickte die anderen ratlos an. Es ging ihm nicht darum, einem Kollegen ins Handwerk zu pfuschen oder ihm gar unter dem Vorwand fachlicher Bedenken eins auszuwischen. Er wollte lediglich verhindern, dass Slassis die Menschlichkeit außer Acht ließ.
»Ich möchte die anderen Fälle noch einmal sehen«, bemerkte Tusdam, der extra wegen dieser Angelegenheit eine weite Reise hinter sich gebracht hatte.
»Sofort.« Slassis eilte zur Bildwand.
»Nicht so.« Tusdam schüttelte energisch den Kopf. »Bringen Sie mich zu einigen Patienten.«
»Aber es sind fast dreihundert!«
»Wählen Sie einfach fünf oder sechs typische Fälle aus!«, empfahl Tusdam sanft.
»Wenn Sie mich fragen: Wir können uns die Mühe sparen«, bemerkte Tergora, eine Akonin, die in der medizinischen Fachwelt von Tahun einen geradezu legendären Ruf genoss.
Tusdam nickte ihr zu. »Ich gebe Ihnen recht«, sagte er leise. »Aber diesem Mann wird es auf einige Minuten nicht ankommen, und wir wollen Slassis doch eine faire Chance geben, nicht wahr?«
»Was war mit den anderen?«, fragte Tergora den Terraner Alfanter, während Slassis sich bemühte, eine ihm angenehme Auswahl von Patienten zusammenzustellen, ohne Tusdams Argwohn zu wecken. »Hat er sie auch so lange warten lassen?«
»Ja«, erwiderte Alfanter knapp.
»Aber warum? Er muss doch sehen, dass es nichts nützt.«
»Warten Sie, bis Sie die anderen Fälle kennen«, empfahl der junge Terraner resignierend. »Dann werden Sie verstehen, worum es ihm geht.«
»Sie sind ein komischer Kauz«, behauptete Tergora trocken. »Einerseits bitten Sie uns hierher, um Slassis einen Riegel vorzuschieben, andererseits scheinen Sie ihn geradezu in Schutz zu nehmen.«
»Hatten Sie mit der Bebenkrankheit schon zu tun?«, fragte Alfanter schroff.
Tergora schüttelte den Kopf. »Bislang nur flüchtig. Es gibt noch andere medizinische Probleme, wie Sie vielleicht auch schon gehört haben.«
»Kommen Sie mit!«, sagte Alfanter grob. Er nahm die Akonin am Arm und zog sie aus dem kleinen Zimmer.
»Hören Sie mal ...«, protestierte die Frau, aber der Terraner ließ sie nicht ausreden.
»Sie werden sich jetzt einige Patienten ansehen«, verkündete er. »Wir werden wieder hier sein, wenn die Entscheidung fällt; es dauert bestimmt nicht lange.«
Er gab Tergora einen kurzen, aber genauen Einblick in das, was diese entsetzliche Krankheit für die Betroffenen bedeutete. Alle Stadien des Bebenkrebses waren hier zusammengefasst. Sie sah sogar den unmittelbaren Beginn, einen Patienten, der wegen einer anderen Angelegenheit nach Tahun gekommen war. Als sich herausstellte, dass er sich in einem Bebengebiet aufgehalten hatte, hatten die Ärzte sofort mit der Behandlung begonnen.
»Er war noch nicht bebenkrank, als wir anfingen«, bemerkte Alfanter. »Trotzdem konnten wir es nicht aufhalten.«
Der Patient, ein großer, breitschultriger Mann, wirkte blass und müde. Alfanter wechselte einige aufmunternde Worte mit ihm, aber es schien, als hörte der Raumfahrer den Arzt gar nicht.
»Er hat schon jetzt Schweißausbrüche, und er behält die Nahrung nicht mehr bei sich«, sagte Alfanter. »In spätestens zwei Tagen kommt das Fieber.«
»Bis jetzt sieht es trotzdem einer heftig verlaufenden Leukämie ähnlich«, murmelte Tergora. »Wie geht es weiter?«
Er zeigte es ihr. Sie sah die Patienten, deren Haut aufschwoll und an deren Gelenken riesige, blutige Geschwüre saßen. Alle litten unter hohem Fieber und wanden sich in Schmerzen, soweit sie nicht im Delirium lagen. Die Ärztin sah auch jene, die zu Blutern wurden und deren Körper förmlich perforiert waren von inneren und äußeren Wunden.
»Sie alle werden sterben«, sagte Alfanter leise, als sich die letzte Tür hinter ihnen
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