Silberband 113 - Der Loower und das Auge
Wetter.
Gyder Bursto sah den seltsamen Ausdruck in Tifflors Augen und mischte sich hastig ein. »Sie dürfen Selna nicht zu ernst nehmen«, warnte er und versetzte seiner Begleiterin einen Rippenstoß. »Sie ist von Geburt an pessimistisch eingestellt.«
»Ich denke nur logisch«, verteidigte sich Selna gleichmütig.
Kurz vor dem Start meldete sich Ronald Tekener bei dem Ersten Terraner.
»Wenn man den Aras glauben darf, dann stehen alle menschlichen Bewohner der Milchstraße vor einer Katastrophe«, stellte er mit Leichenbittermiene fest.
»Das ist nichts Neues, Ron«, erwiderte Julian Tifflor. »Schließlich verlangen die Orbiter von uns nichts anderes, als dass wir auswandern.«
»Sollten sie uns dazu zwingen, dann kann es leicht geschehen, dass Flotten von Geisterschiffen am Ziel der Völkerwanderung ankommen.«
»Ist es so ernst?«
Der ehemalige USO-Spezialist nickte. »... viel schlimmer, als ich es befürchtet habe, Tiff. Die Ursache der Krankheit ist inzwischen bekannt.«
»Der Erreger wurde gefunden? Das ist doch eine gute Nachricht. Ein Gegenmittel zu entwickeln wird zwar Zeit kosten, aber doch nicht so viel, dass vorher die Menschheit ausstirbt.«
»Es wird kein Gegenmittel geben!«
Tifflor starrte den pockennarbigen Freund an. »Warum nicht?«, fragte er dumpf. »Was ist das für eine exotische Krankheit? Rede schon!«
»Es gibt keinen Erreger«, sagte Tekener. »Die Krankheit wird durch Strahlung ausgelöst und kann jeden von uns treffen. Es gibt dagegen keine Abschirmung. Seit die Wissenschaftler auf Aralon wissen, worum es sich handelt, haben sie auch einen Namen dafür: Bebenkrebs.«
»Erzähle mir alles«, verlangte Tifflor.
»Es gibt nicht sehr viel zu berichten. Da das Serum versagte, viele Symptome aber weiterhin für Leukämie sprachen, wurden einige typische Fälle eingehend geprüft. Die blutbildenden Zellen sind scheinbar unverändert. Aber die Krankengeschichten zeigen, dass alle Patienten aus Bebengebieten stammen. Es muss eine Veränderung vorliegen – sie ist nur nicht erkennbar, jedenfalls nicht mit den Mitteln, die auf Aralon zur Verfügung stehen.«
»Wie kommt es eigentlich, dass wir von Aralon so viel erfahren, während Tahun kaum eine Nachricht durchbringt?«
»Keine Ahnung. Über Aralon stehen auch Orbiterschiffe, aber es kommen Nachrichten durch.«
»Wie eindeutig ist es, dass diese Krankheit in Zusammenhang mit den Weltraumbeben auftritt?«
»Das ist eine Tatsache, Tiff. Es gibt zwar eine Vielzahl uns bekannter Bebengebiete, aus denen noch keine Kranken gebracht wurden, aber es gibt keinen einzigen Patienten, der nicht in der Nähe eines Weltraumbebens war, und zwar unmittelbar bevor die Krankheit ausbrach.«
»Das stimmt bedenklich. Du sagtest, sie wären in der Nähe eines Bebens gewesen. Lässt sich die kritische Entfernung schon definieren?«
»Sie beträgt auf jeden Fall mehrere Lichtjahre«, antwortete Tekener.
»Wir haben doch von einigen Beben recht gute Messungen vorliegen. Eigentlich war nur von starken Gravitationsstößen und -wirbeln die Rede. Wenn eine Strahlung mitspielt, dann können wir sie offenbar nicht erfassen.«
»Sag mir, wo wir anfangen sollen, nach etwas Unbekanntem zu suchen. Die Experten reden sich schon die Köpfe darüber heiß.«
»Kümmere dich weiter darum, Tek«, bat Julian Tifflor. »Und sieh zu, ob du an Tahun herankommst. Nichts gegen die Aras, aber Tahun ist für ein solches Problem vielleicht doch ein wenig besser gerüstet.«
Zur selben Zeit umstanden auf Tahun zehn Mediziner ratlos das Krankenbett eines Patienten. Jeder von ihnen war ein Experte, und der Mann, der vor ihren Augen vergeblich gegen den Tod ankämpfte, war Mediziner wie sie gewesen, genauer gesagt, Schiffsarzt auf der HORDERNAAR, die in ein Weltraumbeben geraten war. Der Ara Formirough war der letzte Überlebende aus einer zwölfköpfigen Patientengruppe, die alle von der HORDERNAAR gekommen waren.
Man hatte diese Leute zu spät gebracht, darüber waren sie sich alle einig. Wurde die Krankheit früh genug erkannt, ließ sie sich aufhalten, wenn auch nicht ganz zum Stillstand bringen oder gar heilen.
»Es hat keinen Sinn mehr«, sagte einer der Ärzte bitter. »Wir verlängern nur seine Leiden.«
»Ein neues Mittel ...«, versuchte ein anderer einzuwenden, wurde aber fast wütend unterbrochen.
»Hören Sie auf mit diesem Unsinn, Slassis! Sehen Sie sich den armen Kerl doch genau an; er ist bereits so gut wie tot.«
»Sein Gehirn arbeitet
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