Silberband 114 - Die Sporenschiffe
fragte Ashdon. »Wir ermüden unseren Mann unnötig.«
Ellert deutete auf den harten Lehmboden. »Weil wir dann keine Spuren entdecken würden, Gorsty. So wie hier.«
Deutlich war der Abdruck eines Schuhs oder Stiefels zu erkennen. Dessen Spitze zeigte auf einen Nebengang, der schräg in die Tiefe führte. Ellert bückte sich und strich mit den Fingerspitzen vorsichtig über den Rand des Abdrucks.
»Kein Zweifel, die Spur ist frisch, höchstens einige Stunden alt. Wir sind also nicht allein.«
»Ich habe es geahnt«, erwiderte Ashdon beunruhigt. »Ob das ein Mensch ist?«
»Die Spur lässt darauf schließen. Aber es muss kein Terraner gewesen sein; es gibt genug humanoide Völker.«
»Ein Gestrandeter wie wir?«
»Vielleicht.«
Silberfuchs hatte nicht die geringste Ahnung, wer ihm diesen Namen gegeben hatte und woher er selbst kam. Als er zu leben, zu denken und zu empfinden begann, stand er auf dieser Welt der Labyrinthe, die ihm alles zum Überleben Benötigte bot. Er besaß keine Erinnerung, aber er wusste, dass jemand ihn erschaffen und hier abgesetzt hatte.
Oder gab es im Universum nur diese einzige Welt?
Er stutzte. Woher wusste er, dass ein Universum existierte? Also doch ein Fetzen von Wissen und Erinnerung?
Sein Dasein war zeitlos, denn nichts veränderte sich. Es gab weder Tag noch Nacht, keine Jahreszeiten, keine Stürme und keinen Regen. Trotzdem wuchsen Pflanzen auf seiner Welt. Es gab Früchte, die ihn sättigten, und es gab ausgedehnte Vorratslager unter der Oberfläche, die nur auf ihn zu warten schienen.
Silberfuchs war ein dicker Mann mit kahlem Kopf. Er trug eine breit gestreifte Hose. Die dazugehörende Jacke lag in einer der Wabenhallen im Innern der Kleinwelt; sie war überflüssig geworden, denn überall herrschte die gleiche angenehme Temperatur.
Sein Leben war eintönig, doch er kannte es nicht anders. Längst schon hatte er sich von jenem losgesagt, der ihn erschaffen und an diesen Ort gebracht hatte. Diese Welt gehörte ihm, er musste sie mit niemandem teilen.
Dann tauchte plötzlich der Fremde auf.
Er schien vom Himmel gefallen zu sein, der Silberfuchs ebenfalls gehörte, aber er war nicht tot, sondern fing an, die Welt zu erforschen. Silberfuchs kannte jeden Gang, jedes Versteck, und so war es ihm möglich, dem Fremden unbemerkt zu folgen, bis dieser eine seiner vielen Spuren entdeckte.
Verärgert über das Auftauchen eines Fremden, aber zugleich froh über die Abwechslung, folgte Silberfuchs dem Eindringling in der festen Absicht, ihn früher oder später zu töten. Er wusste nur noch nicht, wie. Er hatte noch nie getötet.
Vorsichtig betrat Ellert/Ashdon den in die Tiefe führenden Gang und folgte ihm. Was anfangs dunkel erschien, verwandelte sich bald in erträgliche Helligkeit.
Ellert schätzte, dass er etwa zweihundert Meter zurückgelegt hatte und sich zwanzig Meter unter der Oberfläche befand, als sich der Gang zu einem rechteckigen Raum verbreiterte. An den Wänden standen ordentlich gestapelte Kisten und metallene Behälter. Sie trugen zum Teil Aufschriften in Interkosmo.
»Das kann doch nicht wahr sein!«, entfuhr es Ashdon. »Wir träumen.«
»Das ist keine Halluzination«, widersprach Ellert.
Er ging zu einer der Kisten und hob den bereits gelösten Deckel mühelos ab. Sie war gefüllt mit terranischen Konzentratpackungen und Konserven, von denen ein kleiner Teil fehlte.
»Vielleicht erlitt ein terranischer Raumer hier Schiffbruch. Die Überlebenden richteten sich im Labyrinth ein. Wir stehen vor dem, was übrig blieb.«
»Und die frische Fußspur?«
Darauf wusste Ellert keine Antwort. Zumindest würde es auf dieser Welt keine Nahrungssorgen geben. Der Mann, in dem sein und Ashdons Bewusstsein wohnten, würde nicht verhungern.
Er atmete auf, als er wieder unter dem freien Himmel stand ...
... und erstarrte schier.
Auf der anderen Seite des breiten Grabens stand ein Mann, dick, kahlköpfig und mit seltsamer Hose. Er schien über diese Begegnung genauso erschrocken zu sein wie Ellert, denn mit einer flinken Drehung verschwand er in dem hinter ihm liegenden Gang.
Ashdon brauchte einige Sekunden, um sich von seiner Überraschung zu erholen. »Das ist der mit den Fußspuren, Ernst! Sollen wir ihm folgen?«
»Noch nicht, später vielleicht. Er scheint harmlos zu sein. Vielleicht wirklich ein Schiffbrüchiger. Aber wo ist das Wrack? Ich habe keines gesehen, als wir Scherbe überflogen.«
»Ich fürchte, es gibt überhaupt kein Wrack«, vermutete
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