Silberband 116 - Der Auserwählte
Einzelheiten darüber wussten. Das kalte Material schien sich an meine Finger anzuschmiegen.
Ich versuchte, mir vorzustellen, dass dieses Kleinod einer weit überlegenen Technik mehrere Jahrtausende in der Cheopspyramide gelegen hatte. Und Millionen Jahre war es her, dass die Loower Laires Auge geraubt hatten - eine für einen Menschen unüberschaubare Zeitspanne, auch für einen Zellaktivatorträger. Wenn ich Laire und die Pläne der Kosmokraten einigermaßen richtig beurteilen wollte, durfte ich diese zeitliche Dimension niemals vergessen.
Nach all seinen Irrwegen lag Laires Auge nun in meinen Händen, und ich konnte mir nur schwer vorstellen, dass ich die Endstation seiner Odyssee sein sollte.
Wer wie Laire und Samkar zwischen dem Einsteinuniversum und dem Gebiet jenseits der Barys pendeln wollte, brauchte zwei verschiedene Augen: eines für den Normalraum und eines für die andere Seite. Nach dem Verlust seines Auges war Laire lange Zeit dazu verurteilt gewesen,
im Einsteinuniversum zu verweilen. Inzwischen hatte er Ersatz erhalten.
Obwohl ich mir der Bedeutung dieses wunderbaren Instruments bestimmt nur zu einem Teil bewusst wurde, fühlte ich einen ehrfürchtigen Schauer. Zweifellos war dies ein zweischneidiger Besitz, der sowohl Glück und Macht als auch Leid und Trauer verhieß. In diesem Auge manifestierte sich die Polarität einer rätselhaften, unüberschaubaren Schöpfung.
Behutsam hob ich das Auge vor mein Gesicht. Als ich hindurchblicken wollte, blieb es jedoch verschlossen. Auch der distanzlose Schritt war mir unmöglich. Das kostbare Instrument war desaktiviert, und ich ahnte, dass sich das in nächster Zeit kaum ändern würde.
Ich wandte mich an die Freunde, die meinen Versuch gespannt beobachteten.
»Es funktioniert nicht. Die Kosmokraten haben vorgesorgt, dass niemand von uns dem Arkoniden folgen kann.«
Ich registrierte einige zweifelnde Blicke und überreichte Bully das Auge. »Versuch du es!«, forderte ich ihn auf.
Er zupfte sich verlegen am Kinn.
»Es genügt, wenn du es versucht hast«, meinte er.
Hamiller, der seinen wissenschaftlichen Instinkt nicht zügeln konnte, trat auf ihn zu und nahm ihm das Auge aus den Händen. »Es hat doch keiner etwas dagegen?«, fragte er.
Da er das Instrument schon vor sein Gesicht hielt und hindurchschaute, war seine Frage ohnehin nur rhetorischer Natur. Gleich darauf ließ er es wieder sinken und gab es mir kommentarlos zurück.
»Jetzt bleibt noch Doktor Jordan«, sagte ich. »Bully, begleitest du mich in die Krankenstation?«
Wir verließen die Hauptzentrale. Reginald Bull wirkte bedrückt, aber er sprach nicht über seine Sorgen. Ich verstand ihn auch ohne Worte.
Der Mediziner begrüßte uns zurückhaltend, anscheinend fürchtete er Vorwürfe, weil er über den Besuch des Arkoniden gesprochen hatte.
»Ich möchte, dass Sie die an Atlan durchgeführten Untersuchungen an mir wiederholen«, bat ich ihn.
Schon nach kurzer Zeit fand er bei mir ähnliche Symptome, wie er sie bei Atlan nachgewiesen hatte. Allerdings waren meine verschobenen Werte bereits im Abklingen begriffen.
»Was hältst du davon?«, fragte ich Bully, nachdem wir die Krankenstation und den ziemlich ratlosen Mediziner verlassen hatten.
»Sicher holen die Kosmokraten niemanden auf die andere Seite, damit er dort Winterschlaf hält«, antwortete Reginald. »Ich bin überzeugt davon, dass es sich nur um eine vorbereitende Umstellung des Körpers auf die physikalischen Gegebenheiten der neuen Umgebung handelt.«
Das war auch meine Ansicht.
Auf dem Rückweg zur Hauptzentrale wurden wir von Kanthall informiert, dass die Weltraumfabrik soeben verschwunden sei.
»Wir haben nichts mehr, was uns in Errantemohre hält.« Es fiel mir schwer, das zu sagen, schwerer jedenfalls, als ich es erwartet hatte.
»Ich habe das Gefühl, dass wir auch am Ende einer Epoche stehen.« Bully klang sehr grüblerisch, was sonst keineswegs seine Art war.
»Das erscheint dir nur so. Wir stecken schon zu tief in diesen kosmischen Verwicklungen und können uns nicht mehr einfach daraus zurückziehen. Die Kosmokraten werden sich wieder melden, vielleicht eher, als wir glauben.«
Bully bedachte mich mit einem missbilligenden Blick.
»Nach allem, was wir über die Vorgänge in der Milchstraße wissen, sollten wir uns dringend darum kümmern, die Völker dort vor weiteren Folgen der Barys-Manipulation zu bewahren.«
»Die Materiequelle ist saniert«, erinnerte ich ihn. »Es wird zu keinen dramatischen
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