Silberband 119 – Der Terraner
aufsuchen sollte, entdeckte Carfesch das Wrack der KORKOOR-AAR. Das Schiff war weitgehend zerstört und trug kein Leben mehr.
Von Bord seines eigenen Raumfahrzeugs aus begann der ehemalige Diplomat mithilfe seines Begleiters, die Planeten des Sonnensystems zu untersuchen.
Wie Carfesch nicht anders erwartet hatte, gab es nur auf der dritten Welt Spuren von Leben. Die Zivilisation, die er bei einer näheren Untersuchung lokalisierte, bedeutete für den Beauftragten von ES in jeder Beziehung eine Enttäuschung. Ihre Angehörigen besaßen keine Raumfahrt und führten offenbar heftige Bruderkriege. Unklugerweise öffnete Carfesch sein Bewusstsein für den Empfang mentaler Impulse. Die Wildheit und Widersprüchlichkeit der auf ihn einstürmenden Gefühle wirkten niederschmetternd; unter diesen Umständen grenzte es schon an ein Wunder, dass diese Wesen sich noch nicht gegenseitig umgebracht und ihre Welt verwüstet hatten.
»Ich möchte so etwas niemals wieder erleben«, sagte Carfesch niedergeschlagen zu Begleiter II, nachdem er sich einigermaßen erholt hatte. »Dass sich auf dem dritten Planeten ein potenzieller Träger aufhalten soll, kann nur ein Irrtum sein.«
»Unsere Messungen decken sich mit denen der KORKOOR-AAR«, widersprach Begleiter II.
»Könnte es eine Falle eines Gegners von ES sein?«
Der Androide schüttelte den Kopf, sein glattes Gesicht zeigte keine Gefühle.
»Eines ist sicher«, bemerkte Carfesch. »Wenn es den Wesen auf dem dritten Planeten nicht in absehbarer Zeit gelingt, ihre Welt zu verlassen und zu begreifen, dass es wichtigere Dinge und Einsichten gibt als das, womit sie sich jetzt befassen, wird ihre Zivilisation untergehen.«
»Vermutlich hast du recht«, entgegnete Begleiter II. »Sie müssen ihre Welt verlassen, oder sie werden auf ihr sterben.«
Carfesch fröstelte. Er hatte viele kosmische Dramen miterlebt und wusste eigentlich nicht, warum ihn der Zustand gerade dieser Zivilisation so betroffen machte. Er wünschte, er hätte helfend eingreifen können, doch er besaß weder das Wissen noch die Mittel, irgendetwas zu tun.
Drei Planetentage hielten sie sich im Orbit auf, dann hatte Begleiter II den potenziellen Träger lokalisiert. Unter normalen Umständen hätte dies viel schneller geschehen müssen. Carfesch hütete sich jedoch, nach den Schwierigkeiten zu fragen – er würde sicher früh genug davon erfahren.
Als Begleiter II schließlich alle Ermittlungen abgeschlossen hatte, kam er mit einem dreidimensionalen Bild des zukünftigen Trägers in den Aufenthaltsraum. Carfesch hätte es nicht für möglich gehalten, aber der Androide war eindeutig irritiert, ja er schien zu zögern, dem Sorgoren das Bild zu zeigen.
»Ich glaube nicht, dass wir den Zellaktivator übergeben können«, sagte Begleiter II.
Ich wusste, dass etwas nicht in Ordnung ist!, dachte Carfesch. Laut fragte er: »Warum nicht?«
»Es liegt am Zustand dieses Wesens; er erlaubt einfach nicht, ihm den Aktivator auszuhändigen.«
»Vermutlich ist die ethische Einstellung dieser Intelligenz nicht ausreichend.«
»Nein«, sagte Begleiter II. »Der Grund ist ein völlig natürlicher: Der potenzielle Träger ist noch ein Kind.«
Graffiti
Sein Name ist Pedro Armendariz – aber dessen ist er sich nicht mehr sicher. Seit Monaten vegetiert er in einer zwei mal zwei Meter großen feuchten und kalten Zelle. Ab und zu schiebt ihm jemand etwas zu trinken und zu essen hinein, und manchmal wird er abgeholt. Dann stellen sie ihm Fragen, deren Sinn er längst nicht mehr versteht. Bei diesen Verhören leidet er Schmerzen, aber seit einiger Zeit empfindet er sie kaum noch.
Ein Tag ist für ihn wie der andere. Er weiß nicht mehr, wie alles begonnen hat – vielleicht mit seiner Teilnahme an einer Demonstration oder mit der Unterzeichnung eines Manifests. Nur eines weiß er noch: Seine damals artikulierte Meinung stand im Gegensatz zu dem, was die herrschende Schicht verkündete.
Sein Wille ist gebrochen.
Er kauert am Boden seiner Zelle und bewegt den Oberkörper vor und zurück, vor und zurück, stets im gleichen dumpfen Rhythmus.
Er wartet auf den Tod.
Pedro Armendariz ist ein Terraner.
2.
Der Junge
Von der Uferböschung aus konnte Karl sehen, dass der Junge ein paar Schritte weit in den Teich gewatet war und sein Spiegelbild auf der glatten Wasseroberfläche betrachtete. Das Angelzeug, das Perry von Karl erhalten hatte, lag achtlos im Sand.
Karl wurde vom Anblick des Jungen seltsam berührt.
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