Silberflügel: Roman (German Edition)
Eule schüttelte den Kopf und ihre entsetzlichen Augen blickten sie direkt an, die Klauen waren bereit zuzupacken und sie zu zerrreißen.
Schatten versuchte es noch einmal. Aufschreiend schoss er ein Klangbild von Goth ab – mit einem Meter Flügelspanne, ausgestreckten Krallen, kreischend aufgerissenem Maul …
Die Eule empfing das Bild, bellte erschrocken auf, fiel zurück zu den Bäumen und wagte nicht einmal zurückzublicken.
„Was hast du gemacht?“, rief Marina.
„Ein kleiner Trick, den ich einem Bärenspinner abgeschaut habe“, sagte er frech. „Ich werde ihn dir gelegentlich zeigen.“
Ein schwaches metallenes Klimpern drang an seine Ohren und verschwand dann wieder. Sein ganzer Körper spannte sich. Er hielt die Luft an, hoffte, dass er sich das nur eingebildet hatte, hoffte auf Stille.
„Hast du das gehört?“, fragte Marina.
Sein Herz hämmerte wild. Er drehte den Hals um, strengte die Augen an, sah aber nur einen schwarzen Punkt in der Ferne, dann nichts, dann zwei Punkte, wieder weg. Aber er hörte, jetzt schon deutlicher, das vertraute metallische Pfeifen im Wind.
„Wie weit sind sie?“, fragte Marina.
„Kann ich nicht sagen. Aber woher wussten sie, in welche Richtung wir fliegen?“
„Sie sind nicht blöd. Bei einem derartigen Wind gibt es nur eine Richtung, in die wir fliegen können.“
„Ich hätte mehr Blätter kauen sollen!“, ärgerte er sich. „Warum hab ich das nicht? Es wäre so einfach gewesen. Da war ein ganzer Busch voll, ich hätte …“
„Schatten“, sagte Marina. „Da oben.“
Am Horizont braute sich eine gewaltige Gewitterwolke zusammen.
„Da drinnen werden wir sie abhängen“, sagte sie.
Er stieß durch den Unterleib der Wolke und wurde wie ein Blatt herumgewirbelt. Hier drinnen wurde er fast von den eigenen Echos betäubt, die von allen Seiten zu ihm zurückprallten. Es war, als wäre man in einer winzigen Höhle. Sein Klang-Sehen war nutzlos. Es war nicht viel besser als Blindflug. Er stürzte weiter durch die Wolkenwände, unfähig, mehr als einen Meter weit vor der Nase zu sehen.
„Marina!“, rief er und die eigene Stimme wurde dumpf zurückgeworfen.
Aus dem Nebel kam sie an seine Seite geglitten.
„Ich kann nichts sehen“, sagte sie.
„Die beiden auch nicht“, sagte Schatten. „Wir wollen versuchen oben an der Spitze durchzubrechen. Dann können wir in einem Bogen zurückfliegen, unter die Wolke gehen und den Fluss wieder finden.“
Gemeinsam schraubten sie sich mühsam in Spiralen durch das Innere der Gewitterwolke nach oben. Immer wieder verloren sie sich in den Hügeln und Tälern finsteren Nebels aus den Augen. Hier drinnen wurde es immer dunkler, die Luft war beinahe zu dick zum Atmen.
„Fühlt sich dein Fell auch so komisch an?“, flüsterte Marina.
Schatten betrachtete seine Brust. Die Haare kribbelten und standen aufrecht.
„Was bedeutet das?“, fragte er.
Die Luft roch plötzlich anders, nach Metall. Das Innere der Wolke wurde plötzlich von einem Blitzstrahl erleuchtet, der sie für einen Augenblick blendete. Ein Donnerschlag verschlug Schatten den Atem.
„Wir sollten besser bald durch die Spitze stoßen“, ächzte er, „sonst werden wir noch getroffen!“
Sie stellten die Flügel an, ruderten heftiger und ein Paar gewaltiger Kiefer stieß durch die Nebelwand vor ihnen. Schatten rollte zur Seite, als Goth vorwärts schoss und zuschnappte, an beiden vorbei. Goth wendete scharf und drehte sich herum für einen zweiten Angriff.
Schatten jagte blindlings durch die Gewitterwolke, ohne zu wissen, wohin er flog oder wo Marina jetzt war. Durch einen Wolkenschleier sah er einen dunklen Schatten, der größer wurde und direkt auf ihn zukam. Er tauchte weg, aber nicht schnell genug. Throbb stürzte sich auf ihn, riss mit den Klauen durch seinen Schwanz und schleuderte ihn rückwärts durch die Luft.
Schatten hörte, wie Throbbs Maul aufschnappte um zuzubeißen, und er warf seine Flügel direkt nach oben, bremste und schnellte nach hinten über die Kannibalenfledermaus. Dabei schlug er nach Throbbs verwundetem Flügel und zog die Krallen tief hindurch.
Throbb heulte auf, legte die Flügel eng an und taumelte außer Sichtweite.
Schatten verharrte einen Moment und versuchte die Orientierung wieder zu finden. Flieg nach oben, sagte ihm sein Instinkt. Da wollten wir hin. Dahin würde auch Marina fliegen.
Ganz plötzlich stach ihm die Luft in die Nase, sein Fell sträubte sich und er schloss gerade noch rechtzeitig die
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