Silberhuf
letzte Anweisung.
Es war schwer, seinen Befehl auszuführen, denn der Fluß, der unter mir brauste und siedete, schien mir die Augen zu blenden. Auf der Brücke war mir so, als ob ich in einem schmalen Boot hin und her balancierte. Aber ich ging weiter und zog das Pferd vorwärts. Sobald das Tier merkte, wie die Brücke schaukelte, wich es zurück und hätte mich fast aus dem Gleichgewicht geworfen.
Vater gab ihm einen anerkennenden Klaps auf die Kruppe und brav startete es einen neuen Versuch. Die Brücke schwankte mehr denn je, als das Pferd alle vier Beine draufsetzte. Ich schob vorsichtig einen Fuß vor den anderen, Zentimeter für Zentimeter. Sobald das Pferd scheute, blieb ich sofort stehen, um die Balance zu halten. Dabei hörte ich die Brücke von der heftigen Spannung knirschen, und obendrein dröhnte noch das Brausen des Flusses in meinen Ohren.
Als wir über die Mitte hinweg waren, lag die einfacher zubewältigende Hälfte, die leicht anstieg, vor uns. Alles ging so lange gut, bis das Pferd mit einem Huf hängenblieb. Die Brücke fing an wie verrückt hin und her zu schaukeln. Ich ging sofort in die Knie und klammerte mich an einem Erdklumpen fest, während das Pferd krampfhaft versuchte, seinen Huf freizubekommen. Durch einen Spalt sah ich unter mir den glasklaren flaschengrünen Fluß, der wie Seide über die untergetauchten Felsen floß und gegen die Wände der Bergschlucht schäumte.
Ich hörte Vater schreien: „Bleib, wie du bist, steh nicht auf, aber kriech weiter.“
Langsam hörte die Brücke auf zu schaukeln. Ich kroch vorwärts und zerrte an den Zügeln, bis ich wieder festen Boden unter den Füßen spürte. Ich konnte kaum stehen, so zitterten mir die Knie. Dann zog ich das Pferd nach — endlich waren wir drüben.
„Sieh uns nicht zu“, brüllte Vater laut, „troll dich, geh den Pfad weiter.“
Das brauchte er mir nicht zweimal zu sagen. Ich ging jedoch nur so weit, bis die Brücke durch eine Kurve im Pfad verdeckt war. Aber nach einer Weile konnte ich es nicht mehr aushalten. Ich band mein Pferd an einem Wacholderstrauch fest und ging zurück.
Vater und Silberhuf waren beide sicher drüben angelangt. Sie schienen in ein Gespräch verwickelt zu sein, was ich nur als heftige Diskussion bezeichnen kann. Sie stritten sich darüber, ob sie die Brücke zerstören sollten oder nicht. Vater war absolut dagegen. Er sagte: „Diese Brücke haben Menschen gebaut, sie haben viel Zeit darauf verwandt, und ganz ungefährlich war es auch nicht. Es wäre eine schreckliche Sache, sie zu zerstören. Viele Reisende müßten darunter leiden. Und außerdembin ich ganz sicher, daß wir die Banditen weit hinter uns gelassen haben.“
Silberhuf sagte, daß es auf Grund der „bekannten Fakten“ nicht sehr wahrscheinlich sei, daß uns die Banditen einholen würden, „Aber“, sagte er, „die anderen beiden Banditen können inzwischen zurückgekehrt sein. Vielleicht hatten sie damals nicht alle Bündel abgeladen und besitzen doch noch Pferdebohnen. Vielleicht kennen sie kürzere Wege. Vielleicht sind einige ihrer Pferde schneller. Wie dem auch sei, sie sind die besseren Reiter, und wir sind nachts nicht geritten. Ich bin dagegen, das Risiko einzugehen.“ —
Vater kann schrecklich dickköpfig sein. Er beendete daher einfach die Diskussion, indem er sagte: „Ist alles schön und gut, aber ich tue es trotzdem nicht.“
Silberhuf sagte kein weiteres Wort und drehte sich um. Wir wanderten alle den Fußweg hinunter.
Ungefähr vier Kilometer hinter der Brücke blieb Silberhuf plötzlich stehen. „Was ist los?“ fragte Vater.
„Ich kann meinen rechten Vorderfuß nicht bewegen.“
Vater schwang sich vom Pferd und drängte sich an meinem Tier vorbei. Im Vorbeigehen gab er mir seine Zügel und legte die Hand auf Silberhufs rechten Widerrist.
„Er ist heiß.“ Vaters Mundwinkel hingen herab und ließen ihn besorgt aussehen.
„Versuch es noch einmal.“
Silberhufs Motor surrte gleichmäßig, aber sobald er den Fuß hochzuheben versuchte, hörte ich, wie der Motor langsamer wurde. Silberhuf konnte sich nicht bewegen.
„Es ist das Hauptlager . . .“, sagte Vater, „diese Lager sind nicht für so schwere Arbeit gemacht.“
„Was nun?“
Er stand eine Weile still, dachte nach und sagte darauf: „Ich glaube, es ist besser, wenn ich mal nachsehe.“
Aber er kam nicht dazu.
Silberhuf sagte: „Achtung! Sehen Sie sich um. Dort, fast genau im Norden.“
Vater hob das Fernglas hoch, und ich sah,
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