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Silbermantel

Titel: Silbermantel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy Gavriel Kay
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spätabendliche Brise unangemessen kühl. Einen Moment lang blickte sie über die Straße auf die sanft raschelnden Bäume.
    Drinnen angekommen führten sie ein Gespräch über Entscheidungen, über das Für und Wider, etwas Bestimmtes zu tun, dessen Ausgang sie beide hätten voraussagen können.
    *
    Dave Martyniuk lehnte Kims Angebot ab, sich ein Taxi mit ihr zu teilen, und ging stattdessen die anderthalb Kilometer in westlicher Richtung bis zu seiner Wohnung in der Palmerston Street zu Fuß. Er ging schnell, und seinen federnden Schritten waren die Wut und die Anspannung anzumerken. Sie sind allzu schnell bei der Hand, sich von Freundschaften loszusagen, hatte der alte Mann gesagt. Finsteren Blicks schlug Dave ein noch schnelleres Tempo an. Was wusste der schon darüber?
    Das Telefon begann zu klingeln, als er gerade dabei war, die Tür seiner Kellerwohnung aufzuschließen.
    »Ja?« Beim sechsten Klingeln hatte er abgehoben. »Du bist sicher stolz auf dich, nicht wahr?«
    »Herrgott noch mal, Vater. Was ist es denn diesmal?« »Fluch mich nicht an. Du würdest wohl eher sterben, als einmal etwas zu tun, das uns Freude bereitet.«
    »Ich habe keine Ahnung, was du verdammt noch mal damit meinst.«
    »Was für eine Ausdrucksweise. Was für ein Respekt!«
    »Vater, ich habe für so was keine Zeit mehr.« »Ja, versuch nur, alles vor mir zu verbergen. Du bist heute Abend zu diesem Vortrag gegangen als Vincents Gast. Und dann bist du verschwunden mit dem Mann, mit dem er so dringend hat sprechen wollen. Und du hast nicht einmal daran gedacht, deinen Bruder einzuladen?«
    Dave atmete vorsichtig durch. Seine spontane Verärgerung machte dem alten Kummer Platz. »Bitte glaube mir, Vater – so hat es sich nicht abgespielt. Marcus ist mit meinen Bekannten weggegangen, weil er keine Lust hatte, mit Akademikern wie Vince zu reden. Ich bin einfach hinterhergelaufen.«
    »Du bist einfach hinterhergelaufen«, äffte ihn sein Vater mit seinem breiten ukrainischen Akzent nach. »Du bist ein Lügner. Deine Eifersucht ist so groß, dass du –«
    Dave hängte auf. Und zog den Telefonstecker aus der Wand. Ein heftiger, bitterer Schmerz erfüllte ihn, während er das Gerät anstarrte und sich nicht sattsehen konnte daran, weil es nicht mehr klingelte.
    *
    Sie wünschten den Mädchen eine gute Nacht und sahen zu, wie sich Martyniuk in die Dunkelheit davonmachte.
    »Zeit für einen Kaffee, Amigo«, sagte Kevin Lame fröhlich. »Viel zu besprechen gibt es, si?«
    Paul zögerte, und in diesem Moment des Zögerns zerbarst Kevins Laune wie Glas.
    »Heute Abend lieber nicht. Ich habe noch einiges vor, Kev.«
    Die Verletzlichkeit in Kevin Laine trat an die Oberfläche, drohte durchzubrechen. Aber er entgegnete nur: »Okay. Gute Nacht. Vielleicht sehen wir uns ja morgen.« Dann wandte er sich abrupt ab und trottete bei Rot über die Bloor Street dorthin, wo er seinen Wagen geparkt hatte. Er fuhr, ein wenig zu schnell, durch die stillen Straßen nach Hause. Als er in die Auffahrt einbog, war es bereits nach ein Uhr, deshalb betrat er das Haus so leise er konnte und verriegelte sorgsam hinter sich die Tür.
    »Ich bin wach, Kevin. Schon gut.«
    »Warum bist du denn noch auf? Es ist schon sehr spät, Abba.« Er benutzte das hebräische Wort für Vater, wie er es immer tat.
    Sol Laine, der in Pyjama und Bademantel am Küchentisch saß, hob spöttisch eine Augenbraue, als Kevin hereinkam. »Ich brauche also die Erlaubnis meines Sohnes, um abends länger aufzubleiben?«
    »Wessen Erlaubnis denn sonst?« Kevin ließ sich auf einen der anderen Stühle fallen.
    »Eine sinnige Antwort«, bemerkte sein Vater zustimmend. »Möchtest du einen Tee?«
    »Klingt gut.« »Wie war der Vortrag?« fragte Sol, während er sich am Teekessel zu schaffen machte.
    »In Ordnung. Sehr gut, eigentlich. Hinterher haben wir mit dem Redner noch einen Drink genommen.« Kevin überlegte kurz, ob er seinem Vater erzählen sollte, was vorgefallen war, verwarf den Gedanken jedoch gleich wieder. Vater und Sohn hatten es sich seit langem angewöhnt, einander vor diesem und jenem zu beschützen, und Kevin war klar, dass sein Vater mit dieser Sache nichts würde anfangen können. Er wünschte es sich anders, wie schön wäre es doch, dachte er, irgend jemand dazuhaben, mit dem er darüber reden konnte.
    »Jennifer geht es gut? Und ihrer Freundin?«
    Kevins Bitterkeit wurde fortgeschwemmt von einer Aufwallung von Liebe zu diesem alten Mann, der ihn alleine aufgezogen hatte. Sol hatte

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