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Silbermantel

Titel: Silbermantel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy Gavriel Kay
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inzwischen vertraute hemdlose Gestalt an ihrem Hügel vorbeisausen. Torc wählte einen Eltor aus, raste mehrere Galoppsprünge weit neben ihm gen Süden, setzte dann mit selbstsicherer Arroganz zum Wurf an. Der Eltor stürzte beinahe vor ihren Füßen zu Boden. Torc hob kurz die Hand zum Gruße, dann stob er davon, um sich den anderen Reitern auf der gegenüberliegenden Seite des Zuges anzuschließen. Als er diesen Wurf sah, erinnerte sich Dave, wie zwei Nächte zuvor der Urgach gefallen war. Gerne hätte er Torc zugejubelt, aber noch war einer übrig, und er konnte Tabors Besorgnis spüren.
    »Cechtar ist sehr gut«, hauchte der Junge. Dave gewahrte, wie sich ein großer Mann auf einem Fuchs von Levon entfernte – der Anführer war nun allein, direkt unterhalb ihres Standorts. Cechtar galoppierte voller Zuversicht dem dahinstürmenden Zug entgegen, den die anderen am Hügel vorbeilenkten. Er hatte bereits den Dolch gezogen, und die Haltung des Mannes auf seinem Pferd wirkte zuverlässig und vertrauenerweckend.
    Dann trat das Pferd auf einen Büschel Gras und kam ins Stolpern. Cechtar blieb zwar im Sattel, doch der Schaden war nicht mehr zu vermeiden – das Messer, das er verfrüht erhoben hatte, war ihm aus der Hand geglitten und vor dem Tier, das ihm am nächsten war, völlig harmlos zu Boden gefallen.
    Mit angehaltenem Atem drehte Dave sich um, weil er feststellen wollte, was Levon unternehmen würde. Neben ihm stöhnte Tabor qualvoll auf. »O nein, o nein«, wiederholte er. »Schande über uns. Es ist eine Schmach für alle drei Reiter, und vor allem für Levon, weil er sich verschätzt hat. Es gibt nichts, was er tun könnte. Mir ist schlecht!«
    »Nun muss er töten?«
    »Ja, und das wird er auch. Aber darauf kommt es nicht mehr an, es gibt nichts, was er – oh!«
    Tabor verstummte, denn Levon hatte, während er entschlossen sein Pferd vorwärtstrieb, Torc und den anderen einen Befehl zugerufen. Dave sah zu, wie die Jäger sich beeilten, die Eltors noch einmal zu einem Richtungswechsel zu veranlassen, so dass der fünfhundert Tiere umfassende Zug, nachdem er einen weiten Bogen beschrieben hatte, in jetzt fünfhundert Metern Entfernung auf der Ostseite des Hügels wieder gen Norden stürmte.
    »Was macht er?« fragte Dave leise. »Ich weiß nicht, ich verstehe es nicht. Es sei denn …« Levon lenkte sein Pferd gemächlich in östlicher Richtung, warf es jedoch schon nach wenigen Schritten herum, so dass es reglos mitten im Weg des Zuges stand.
    »Was, zum Teufel?« keuchte Dave.
    »Oh, Levon, nein!« schrie Tabor plötzlich auf. Der Junge hielt Daves Arm umklammert, das Gesicht bleich vor entsetztem Begreifen. »Er versucht, wie Revor zu töten. Er wird selber dabei getötet werden!«
    Dave spürte, wie auch ihn die Angst packte, als ihm klar wurde, was Levon da vorhatte. Doch das war unmöglich; es war wahnsinnig. Wollte der Anführer der Jagd vor lauter Scham Selbstmord begehen?
    In erstarrtem Schweigen sahen sie vom Hügel aus zu, wie der dicht gedrängte Zug, annähernd keilförmig hinter einem riesenhaften Leittier über das Gras auf die reglose Gestalt zuraste, die Tabors hellhaariger Bruder war. Auch die anderen Jäger, dessen war sich Dave am Rande bewusst, hatten ihre Pferde zum Stehen gebracht. Kein Laut war zu hören, bis auf den rasch anwachsenden Donner, der von dem dahineilenden Zug ausging.
    Unfähig, die Augen vom Anführer der Jagd abzuwenden, beobachtete Dave, wie Levon ohne jede Hast abstieg und vor seinem Pferd in Position ging.
    Die Eltor waren nun sehr nahe, flogen geradezu herbei; das Getöse ihrer trommelnden Hufe erfüllte die Luft.
    Das Pferd rührte sich nicht. Auch das fiel Dave auf, und dann sah er Levon ohne Eile seine Klinge ziehen.
    Der Leiteltor war noch fünfzig Meter von ihm entfernt.
    Dann zwanzig. Levon hob den Arm und führte, ohne innezuhalten, in einem einzigen, nahtlosen Schwung seinen Wurf aus.
    Die Klinge traf das riesige Tier mitten zwischen die Augen; es kam aus dem Tritt, stolperte und fiel dann Levon vor die Füße. Direkt vor Levons Füße.
    Die Fäuste in wilder Erregung geballt erkannte Dave, dass die anderen Tiere unverzüglich ihrem gestürzten Leittier auswichen und zwei kleinere Züge bildeten, einer Richtung Osten, einer Richtung Westen, wobei sie sich in einer Staubwolke genau an dem Punkt aufteilten, wo der gefallene Eltor lag.
    Und wo Levon mit wehendem blonden Haar gelassen dastand und die Nüstern seines Pferdes streichelte, nachdem er in eben

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