Silbermantel
ausgegangen, der am Morgen mit Levon zusammen so stillgehalten hatte, doch das war kein Stolz, der etwas oder jemand anderes herabsetzte. Er gehörte einfach zum Wesen des Hengstes.
Levon war ähnlich, entschied Dave.
Dies war einer der letzten zusammenhängenden Gedanken, derer er fähig war, denn bei Sonnenuntergang begann das Fest. Das Eltorfleisch war vorzüglich; langsam über offenem Feuer geschmort, mit Gewürzen verfeinert, die er nicht kannte, war es besser als alles, was er in seinem Leben gekostet hatte. Und als die brutzelnden Fleischstücke die Runde zu machen begannen, machten die Stammesleute auch mit dem Trinken endgültig ernst
Dave betrank sich selten; er mochte es nicht, wenn er die Selbstbeherrschung zu verlieren drohte, aber an jenem Abend hielt er sich an einem ihm fremden Ort auf, in einem ganz anderen Land. Ja, einer ganz anderen Welt. Er hielt sich nicht zurück.
An Ivors Seite sitzend wurde ihm plötzlich bewusst, dass er Torc seit der Jagd nicht mehr gesehen hatte. Als er sich in dem vom Feuer erleuchteten Trubel umsah, entdeckte er nach einiger Zeit den dunklen Mann, der ganz für sich am äußersten Rand des Lichtkreises stand, den die Lagerfeuer erzeugten.
Dave stand auf, nicht besonders sicher auf den Beinen. Ivor hob fragend eine Augenbraue. »Wegen Torc«, murmelte Dave. »Warum ist er ganz allein? Sollte er nicht. Er sollte hier sein. Zur Hölle noch mal, wir … wir haben zusammen einen Urgach erlegt, ich und er.« Ivor nickte, als sei diese holprige Ansprache eine äußerst erhellende Erklärung gewesen.
»Wahr gesprochen«, sagte der Häuptling ruhig. Und an seine Tochter gewandt, die ihm soeben neu auflegte, fügte er hinzu: »Liane, bitte geh und hole Torc her, damit er bei mir sitze?«
»Kann nicht«, widersprach Liane. »Tut mir leid. Wird Zeit, mich für den Tanz bereitzumachen.« Und schon war sie verschwunden, flink, quecksilbrig, in die verworrenen Schatten. Dave bemerkte, dass Ivor gar nicht glücklich aussah.
Er entfernte sich, um Torc persönlich zu holen. Törichtes Mädchen, dachte er leicht verärgert, sie meidet ihn, weil sein Vater in die Verbannung geschickt wurde und sie die Tochter des Häuptlings ist.
Er näherte sich Torc im Halbdunkel, gleich außerhalb des Widerscheins der zahllosen Feuer. Der andere Mann, der gerade an einer Eltorkeule nagte, begrüßte ihn nur mit einem Grunzen. Das war ganz in Ordnung. Er brauchte nicht zu reden; die Redseligen gingen Dave ohnehin auf die Nerven.
Sie standen eine Weile schweigend beisammen. Es war abseits der Feuer wesentlich kühler; der Wind war angenehm, erfrischend. Er sorgte dafür, dass er ein wenig nüchterner wurde.
»Wie fühlst du dich?« fragte er schließlich.
»Besser«, sagte Torc. Und einen Moment darauf: »Deine Schulter?«
»Besser«, erwiderte Dave. Wenn man nicht viel Worte machte, dachte er, sagte man das wirklich Wichtige. Dort im Schatten neben Torc hatte er kein echtes Bedürfnis mehr, in die Mitte des Platzes zurückzukehren. Hier war es angenehmer, wo man den Wind spürte. Man konnte sogar die Sterne sehen. Im Licht der Feuer konnte man das nicht; in Toronto übrigens auch nicht, dachte er.
Einem Impuls folgend drehte er sich um. Da war er. Torc wandte sich ebenfalls diesem Anblick zu. Gemeinsam betrachteten sie die weiße Pracht des Rangat.
»Da soll jemand drunter sein?« fragte Dave leise.
»Ja«, antwortete Torc knapp. »Gefesselt.« »Loren hat uns das erzählt.«
»Er kann nicht sterben.« Das war wenig ermutigend. »Um wen handelt es sich?« fragte Dave scheu.
Einen Augenblick lang schwieg Torc, dann flüsterte er: »Wir nennen ihn nicht beim Namen. In Brennin ist das üblich, heißt es, und in Cathal, aber es sind die Dalrei, die im Schatten des Rangat leben. Wenn wir von ihm sprechen, dann als Maugrim, dem Entwirker.«
Dave fröstelte, obwohl es nicht kalt war. Der Berg schimmerte im Mondlicht, und sein Gipfel war so hoch, dass er den Kopf in den Nacken legen musste, um ihn zu betrachten. Da machte ihm ein Gedanke zu schaffen.
»Er ist so prachtvoll«, gab er zu bedenken. »So einmalig. Warum hat man ihn unter etwas so Schönem gefangen genommen? Nun muss man doch, jedes Mal, wenn man hinsieht, daran denken …« Seine Stimme verhallte. Manchmal fand man einfach keine Worte. Eigentlich die meiste Zeit über.
Torc jedoch blickte ihn voller Verständnis an. »Das ist der Grund«, behauptete er leise, »warum man es getan hat.« Und er wandte sich wieder dem Licht
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