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Silbermantel

Titel: Silbermantel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy Gavriel Kay
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Lüge verbarg.
    »Zeit!« brach es aus Kimberly hervor. »Verstehst du denn nicht? Ich bin doch nur zwei Wochen hier. Sobald sie Dave finden, machen wir uns auf den Heimweg.«
    »Das mag sein. Dennoch gibt es eine Brücke, und ich habe im Traum den Baelrath an deiner Hand gesehen. Außerdem weiß ich tief in meinem Herzen – im Herzen einer alten Frau, und das hat mit der Vision einer Seherin nichts zu tun –, dass auch in deiner Welt eine Träumerin gebraucht werden könnte, noch ehe die Zukunft als fertiges Gewirk den Webstuhl verlässt.«
    Kimberly machte den Mund auf und wieder zu, sie war sprachlos. Denn nun war es ihr tatsächlich zuviel geworden: zuviel Neues, zu schnell und zu schwierig.
    »Tut mir leid«, konnte sie gerade noch mit keuchender Stimme hervorbringen, dann drehte sie sich auf dem Absatz um, rannte die Steinstufen hinauf und aus der Tür der Hütte ins Freie, wo es Sonnenlicht gab und einen blauen Himmel. Und Bäume und einen Pfad, auf dem sie hinab ans Ufer des Sees laufen konnte. Allein, denn niemand kam ihr nachgegangen, konnte sie dort Kieselsteine ins Wasser werfen, im Bewusstsein, dass es Kieselsteine waren, bloß Kieselsteine, und dass kein grüner Geist mit tropfnassem Haar daraufhin aus den Tiefen des Sees emporsteigen würde, um noch einmal ihrem Leben eine neue Wende zu geben.
     
    In dem Gewölbe, aus dem sie geflohen war, leuchtete weiter das Licht. Macht und Hoffnung und Kummer lagen in seinem Schimmer, in den Ysanne getaucht war, als sie sich an den Tisch setzte und mit blicklosen, blinden Augen die Katze auf ihrem Schoß streichelte, ohne etwas wahrzunehmen.
    »Ah, Malka«, raunte sie schließlich, »ich wünschte, ich wäre weiser. Was hat es für einen Sinn, so lange zu leben, wenn man darüber nicht weise geworden ist?«
    Die Katze stellte die Ohren auf, zog es jedoch vor, weiter ihre Pfote zu lecken, anstatt sich einer derart beschwerlichen Frage zu widmen.
    Nach einer Weile stand die Seherin auf, setzte die beleidigte Malka auf dem Fußboden ab und ging langsam hinüber zu dem Schrank, worin der Reif leuchtete. Sie öffnete die Glastür, griff hinein und holte einen Gegenstand hervor, der halb im Verborgenen auf einem der unteren Borde lag, dann stand sie lange Zeit einfach da und blickte auf das herab, was in ihrer Hand lag.
    Der dritte Gegenstand der Macht: den Kimberly, die draußen am See mit Kieselsteinen warf, nicht gesehen hatte.
    »Ah, Malka«, seufzte die Seherin noch einmal und zog den Dolch aus seiner Scheide. Ein Laut wie eine gezupfte Saite klang durch den Raum.
    Vor tausend Jahren, in jenen Tagen nach dem Bael Rangat, als sämtliche freien Völker Fionavars sich vor dem Berg versammelt hatten, um Ginserats Steine zu sehen, hatten die Zwerge vom Banir Lok ein Meisterwerk ihrer Handwerkskunst geschaffen, als Geschenk für den neuen Großkönig von Brennin.
    Thieren hatten sie geschmiedet, das seltenste aller Metalle, das nur zu finden war an den Wurzeln ihrer Zwillingsberge, für sie das kostbarste Geschenk der Welt, das blaugeäderte Silber Endus.
    Und für Colan den Vielgeliebten hatten sie sich Gedanken gemacht und eine Klinge hergestellt, deren Scheide mit Runen verziert war, um sie zu bannen, und hatten in ihren Höhlen einen Bannzauber aus dem Dunkel der Vergangenheit gesponnen und ein Messer geschaffen, wie es auf sämtlichen Welten kein zweites gab, und sie nannten es Lökdal.
    Tief, ganz tief verneigte sich Conarys Sohn, als sie es ihm überreichten, und schweigend hörte er zu, weiser als seine Jahre es hätten vermuten lassen, während Seithr, der Zwergenkönig, ihm eröffnete, was sie dem Dolch auferlegt hatten. Dann verbeugte er sich wieder, noch tiefer, als auch Seithr schwieg.
    »Ich danke euch«, ergriff Colan das Wort, und seine Augen funkelten, als er dies sagte. »Zweischneidig das Messer und zweischneidig das Geschenk. Möge Mörnir uns das Auge dafür schärfen, es richtig zu gebrauchen.« Und er steckte Lökdal an seinen Gürtel und trug es mit sich fort nach Süden.
    Den Magiern hatte er sie anvertraut, die Klinge und den Zauber, der in ihrem Innern wie ein Segen oder ein Fluch verschlossen lag, und nur zweimal in tausend Jahren hatte Colans Dolch getötet. Er wurde weitergereicht von einem Ersten Magier zum nächsten, bis zu der Nacht, in der Raederth starb. Mitten in jener Nacht hatte die Frau, die ihn liebte, einen Traum gehabt, der sie bis ins Innerste ihrer Seele erschütterte. Im Dunkeln hatte sie sich erhoben und war dorthin

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