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Silbermantel

Titel: Silbermantel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy Gavriel Kay
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gekommen, wo Raederth die Klinge aufbewahrte, und sie nahm sie an sich und verbarg sie vor denen, die seine Nachfolge antraten. Nicht einmal Silbermantel, dem sie in jeder anderen Hinsicht vertraute, wusste darüber Bescheid, dass Ysanne Lökdal besaß.
    »Wer ohne Liebe im Herzen diese Klinge führt, dem ist der Tod gewiss«, hatte Seithr von den Zwergen gesagt. »Dies ist das eine.«
    Und dann hatte er leise, so dass nur Colan es hörte, auch noch das andere gesagt.
    In ihrem verborgenen Gewölbe drehte Ysanne die Seherin, Träumerin des Traums, die strahlende, geriffelte Klinge in ihrer Hand um und um, dass das Licht wie blaues Feuer von ihr abstrahlte.
    Am Ufer des Sees aber stand eine junge Frau, erfüllt von Kräften, unterschwelligen Kräften, und warf einen Kieselstein nach dem anderen ins Wasser.
    *
    Es war kühler in dem Wald, in welchen die Lios Alfar sie geleiteten. Das Essen, das ihnen angeboten wurde, war köstlich und wunderbar: seltsame Früchte, kräftiges Brot und Wein, der die Stimmung hob und die Farben des Sonnenuntergangs stärker hervortreten ließ. Die ganze Zeit über erklang Musik: Einer der Lios spielte auf einem helltönenden Blasinstrument, andere sangen dazu, wobei sich ihre Stimmen in den dunkler werdenden Schatten der Bäume ineinander verwoben, während am Rande der Lichtung, auf der sie sich befanden, die abendlichen Fackeln entzündet wurden.
    Laesha und Drance, für die hier ein Kindheitstraum in Erfüllung ging, schienen noch verzauberter als Jennifer selbst, und so kam es, dass sie, als Brendel sie einlud, die Nacht über im Wald zu bleiben und dem Tanz der Lios unter den Sternen zuzusehen, staunend und freudig zusagten.
    Brendel sandte einen Boten aus, rasch nach Paras Derval zu reiten und dem König unter vier Augen mitzuteilen, wo sie sich aufhielten. Befangen von angenehmer Mattigkeit blickten sie dem Boten nach, dessen Haar im Licht der untergehenden Sonne leuchtete, während er über den Hügel ritt. Dann wandten sie sich erneut dem Weine zu und dem Gesang auf der Lichtung.
    Während die Schatten länger wurden, schien sich das Eingeständnis lang erduldeten Kummers in die Lieder der Lios Alfar zu verweben. Myriaden von Leuchtkäfern schwirrten schimmernden Augen gleich jenseits des Fackellichts umher: Lienae würden sie genannt, sagte Brendel. Jennifer nippte an dem Wein, den er ihr einschenkte, und ließ sich von der Musik in eine reiche, süße Traurigkeit tragen.
    Westlich von ihnen trieb der Bote, Tandem vom Falken, nachdem er auf dem höchsten Punkt des Hügels angelangt war, sein Pferd in leichtem Galopp der kaum eine Meile entfernten ummauerten Stadt und dem Palast zu.
    Er hatte erst den halben Weg dorthin zurückgelegt, als er starb.
    Ohne einen Laut fiel er vom Pferd, vier Pfeile im Hals und im Rücken. Gleich darauf erhoben sich die Svarts aus der Mulde neben dem Pfad und sahen in gebanntem Schweigen zu, während die Wölfe neben ihnen zum Leichnam des Lios hinübertrotteten. Als es sich erwies, dass er tot war, kamen die Svarts ebenfalls herbei und umringten den gefallenen Reiter. Selbst im Tode haftete ihm ein Glorienschimmer an, doch als sie mit ihm fertig waren, als die schmatzenden, reißenden Laute verstummt waren und nur die stillen Sterne auf sie herabsahen, war von Tandem, dem Lios Alfar, nichts mehr übrig, das es wert gewesen wäre, von irgend jemandem angesehen zu werden.
    Dem Lios Alfar, den die Finsternis so sehr hasste, denn der Name bedeutet Licht.
    *
    Und dies war der Moment, in welchem weit im Nordosten ein anderer einsamer Reiter plötzlich sein Pferd zum Stehen brachte. Einen Augenblick lang verhielt er sich völlig reglos, dann warf Loren Silbermantel mit einem schrecklichen Fluch und mit Furcht im Herzen, die einer geballten Faust glich, sein Pferd herum und eilte in donnerndem Galopp dahin zurück, woher er gekommen war.
    *
    In Paras Derval nahm der König nicht an dem Bankett teil, ebenso keiner der vier Besucher, was einiges Aufsehen erregte. Ailell hatte sich in seine Gemächer zurückgezogen und spielte Ta’Bael mit Gorlaes, dem Kanzler. Er gewann ohne große Mühe, wie es üblich war, und das bereitete ihm wenig Vergnügen, wie es ebenfalls üblich war. Sie spielten bis spät in die Nacht hinein, und Tarn, der Page, war längst eingeschlafen, als sie unterbrochen wurden.
    *
    Als sie durch die offene Tür den »Schwarzen Keiler« betraten, glichen der Lärm und der Rauch einer Mauer, gegen die sie prallten.
    Eine Stimme jedoch

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