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Silbermantel

Titel: Silbermantel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Guy Gavriel Kay
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dass es den Anschein hatte, als werde unter ihren Füßen kein Grashalm gekrümmt.
    »Willkommen!« begrüßte sie ihr Anführer, als er vor ihnen stehen blieb. Er verneigte sich, und sein langes Silberhaar glitzerte im Sonnenlicht. »Diese Stunde ist strahlend gewirkt.« Seine Stimme war wie himmlische Musik. Er wandte sich direkt an Jennifer. Sie bemerkte, dass Drance neben ihr, diesem nüchternen Soldaten, Tränen über das verklärte Gesicht liefen.
    »Wollt Ihr herabkommen unter die Bäume und heute Abend mit uns feiern?« fragte die Gestalt mit dem Silberhaar. »Ihr wäret höchst willkommen. Mein Name ist Brendel vom Falkensiegel, ich komme aus Daniloth. Wir sind die Lios Alfar.«
    *
    Die Rückkehr nach Brennin ging beinahe mühelos vonstatten, als würden sie von einem Wind in ihrem Rücken heimwärts getragen. Erron machte sich, beweglich und flink wie er war, wieder als erster an den Aufstieg die Klippe empor, und er schlug für die anderen eiserne Bolzen in die nackte Felswand.
    Sie erreichten ihre Pferde, stiegen auf und begannen den Ritt zurück nach Norden auf den staubigen Straßen des Großkönigtums. Die Stimmung war fröhlich und ausgelassen. Kevin stimmte in den schlüpfrigen Refrain eines Liedes mit ein, das Coll sang, und konnte sich nicht erinnern, je in seinem Leben glücklicher gewesen zu sein; nach dem Vorfall am Fluss schienen er und Paul von Diarmuids Schar völlig akzeptiert, und weil er Respekt vor diesen Männern hatte, war es ihm wichtig, akzeptiert zu werden. Erron wurde ihm zum Freund, ebenso Garde, der zu Kevins linker Hand vor sich hin sang. Paul, auf seiner anderen Seite, beteiligte sich zwar nicht, wirkte aber auch nicht unglücklich, und er hatte ohnehin eine fürchterliche Stimme.
    Kurz nach Mittag erreichten sie das gleiche Gasthaus, in dem sie auf dem Hinweg angehalten hatten. Diarmuid befahl eine Rast zum Mittagsmahl und einem schnellen Bier, aus dem, der vorherrschenden Stimmung entsprechend, mehrere gemächliche wurden. Coll, bemerkte Kevin, war verschwunden.
    Diese ausgedehnte Pause bedeutete, dass sie das am gleichen Abend im Großen Saal stattfindende Bankett versäumen würden. Diarmuid schien das nicht zu kümmern.
    »Heute Abend ist der Schwarze Keiler dran, meine Freunde«, verkündete er strahlend und heiter am Kopfende der Tafel. »Ich bin nicht in der Stimmung für höfische Etikette. Heute Abend feiere ich mit euch und lasse Etikette Etikette sein. Heute Abend geben wir uns unserem Vergnügen hin. Wollt ihr mit mir trinken auf die Dunkle Rose von Cathal?«
    Kevin prostete ihm zu mit den anderen, trank mit den anderen.
    *
    Kimberly hatte wieder geträumt. Zunächst den gleichen Traum: die Steine, der Ring, der Wind – und der gleiche Jammer in ihrem Herzen. Und wieder erwachte sie, als die Worte der Macht soeben ihre Lippen erreichten.
    Diesmal jedoch war sie wieder eingeschlafen, um einen anderen Traum zu finden, der auf sie wartete, wie am Grunde eines Wasserbeckens.
    Sie befand sich im Gemach von Ailell, dem König. Sie sah, wie er sich ruhelos auf seinem Lager herumwarf, sah den jungen Pagen auf seiner Liege schlafen. Noch während sie in den Anblick vertieft war, erwachte Ailell in seinem dunklen Schlafgemach. Lange Zeit lag er still und schwer atmend da, dann gewahrte sie, wie er sich unter Schmerzen erhob, wie gegen seinen Willen. Er entzündete eine Kerze und trug sie zu einer geheimen Tür, durch die er hinausging. Unsicher und ohne Substanz folgte sie dem König einen Gang entlang, der durch nichts als die flackernde Kerze erleuchtet war, und sie blieb mit ihm vor einer weiteren Tür stehen, in welche ein Schiebefenster eingelassen war.
    Als Ailell die Augen an die Öffnung presste, schaute sie irgendwie mit ihm hinein, das sehend, was er sah, und Kimberly erblickte zusammen mit dem Großkönig das weiße Naalfeuer und das tiefblaue Leuchten von Ginserats Stein, der auf der Spitze einer Säule ruhte.
    Erst einige Zeit später wich Ailell zurück, und in ihrem Traum sah Kim sich vortreten, um noch einmal nachzuschauen, sah sich auf Zehenspitzen dastehen und mit ihren eigenen Augen in das Gelass hineinblicken, in dem der Stein sich befand.
    Und als sie hineinblickte, war kein Stein zu sehen, und der Raum lag im Dunkeln.
    Entsetzt machte sie auf dem Absatz kehrt und sah den Großkönig wieder in sein Schlafgemach zurückgehen, und dort an der geheimen Tür erwartete ihn eine schattenhafte Gestalt, die sie kannte.
    Mit erstarrtem Gesicht, so als sei es aus

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