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Silbermuschel

Silbermuschel

Titel: Silbermuschel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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Zwei Sekunden genügten, schon löste sich alles auf. Ruhig und schmerzlos tauchte ich in bergende Dunkelheit hinab, verkroch mich in mich selbst, dort, wo mich niemand fand.
    Du darfst nicht schlafen. Du wirst nicht schlafen.
    Ich will mich ja nur ein wenig ausruhen.
    Nein. Nicht hier. Nicht jetzt.
    Ich murmelte: »Nimm dich zusammen!«
    Gewaltsam riß ich die Augen wieder auf, richtete mich hoch, atmete ein paarmal tief aus und ein. Die Verschwommenheit ließ nach. Ich drehte den Autoschlüssel und fuhr los.
    Wir wohnten am Südhang der kleinen Ortschaft Chexbres. Unser Haus – besser gesagt, Brunos Haus – gehörte zu den letzten, die eine Baubewilligung erhalten hatten, bevor die ganze Gegend unter Naturschutz gestellt wurde. Jetzt nahm der Wert des Grundstücks von Jahr zu Jahr zu. Bruno hatte mal wieder eine gute Nase gehabt.
    Das Haus war in einer Zeit gebaut worden, wo man mit Beton noch gedankenlos umging. Eine kahle Mauer, im Sommer glühend heiß, stützte den Hang ab. Das Haus mit seinem Flachdach, seiner breiten Terrasse stand auf der 9
    Rasenfläche wie ein protziger Bunker. Mehr als ein Jahr war es jetzt her, seit Bruno mir das Erdgeschoß überlassen und sich im oberen Stock einquartiert hatte.
    Wir hatten getrennte Eingänge, so daß wir uns nur selten im Treppenhaus begegneten. Bruno hatte zwar nur eine Kochnische, eine winzige Dusche und eine Gästetoilette zur Verfügung, aber er war ja – wie er nachdrücklich betonte – ein genügsamer Mensch.
    Ich hatte bei unserer Trennung eigentlich vorgehabt, eine Wohnung in Lausanne zu suchen. Aber Bruno wollte, daß ich dablieb, und selbstverständlich hatte ich nicht die Kraft gehabt, mich gegen ihn durchzusetzen.
    Ich fuhr den Wagen in die Garage und klappte das Tor zu. Brunos Audi war noch nicht da; wahrscheinlich war er in die Berge gefahren, denn er hatte seine Winterreifen noch nicht abmontiert. Ich schleppte mich die Treppe hinauf, hängte meine Windjacke an die Garderobe und warf im Vorbeigehen einen Blick in den Spiegel. Mein Haar war naß und zerzaust, aber mein Gesicht sah nicht anders aus als sonst.
    Unser Haus war innen mit Teppichen und Holztäfelung eingerichtet. Die Möbel waren italienisch, der Kronleuchter französisch. Alles war geräumig, nahezu überdimensional, ganz nach Brunos Geschmack. Ich hatte nichts zu sagen gehabt.
    Ich ging in die Küche, um mir einen Tee zu machen, und bewegte mich dabei wie im Zeitlupentempo. Dann ging ich ins Wohnzimmer, kauerte mich mit hochgezogenen Beinen in einen Ledersessel und trank langsam die Tasse aus. Ich hatte keine Eile. Ich hatte noch die ganze Nacht vor mir, und den nächsten Tag, und diesen Monat, und das ganze Leben. Was sollte nur aus mir werden?
    Ein Wagen fuhr die Straße hinauf, hielt vor dem Haus. Die Autotür schlug zu.
    Eine Frauenstimme rief einige Worte. Ich rührte mich nicht und trank meinen Tee.
    Draußen sprang der Motor wieder an. Bruno fuhr den Wagen in die Garage.
    Bruno war von Anfang an darauf bedacht gewesen, seine Schäferstündchen geheim zu halten. Er stieg selten in Hotels ab und wenn, dann immer nur am anderen Ende der Schweiz, möglichst in der Zwischensaison, um sicher zu sein, daß er keinen Geschäftsfreunden begegnete. Er nahm seine Eroberungen mit nach Hause, wenn es dunkel war, und brachte sie am nächsten Morgen in aller Diskretion wieder fort.
    Bruno verstand es meisterhaft, sich ins günstige Licht zu rücken, schlüpfte wie ein Chamäleon in die passende Rolle und spielte jetzt voller Überzeugung den großzügigen Partner, der die Launen seiner Frau mit Verständnis ertrug.
    Kleinkariert, wie er war, hatte sich Bruno genau ausgerechnet, was er mir nach dreizehn Jahren Ehe zahlen mußte, und zog diese Lösung einer rechtsgültigen Scheidung vor. Darüber hinaus wurmte es ihn, sich in aller Öffentlichkeit zum Fiasko seiner Ehe zu bekennen. »L’Arlésienne ist ihm davongelaufen«, würden sich die Leute zuflüstern und ihm die Schamröte in die kahl gewordene Denkerstirn treiben. Da war ihm die Heuchelei lieber. Solange mein offizieller 10
    Name noch Frau Bruno Chardonne lautete, spielte er Vogel Strauß.
    Bruno hatte mich praktisch von der Schulbank weg geheiratet. Die Lage auf dem Arbeitsmarkt war schlecht, und ich war dankbar für den Job, den ich seit ein paar Jahren – und nur dank Brunos Beziehungen beim »Waadtländer Boten«
    ergattert hatte. Ich verdiente etwas Geld, aber nicht genug; ohne den Betrag, den Bruno monatlich auf mein Konto

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