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Silbermuschel

Silbermuschel

Titel: Silbermuschel Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Federica de Cesco
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aufsetzte.
    Mein Vater! Plötzlich sah ich ihn wieder vor meinem geistigen Auge und erduldete diesen Anblick nur deshalb, weil er weit weg war. Ich sah ihn auch nicht ganz, sondern nur in gewissen Einzelheiten: das schiefergraue Haar, das er sorgfältig pflegte, die hohe Stirn, die starke Nase. Die Kinnlade trat ein wenig hervor und mit ihr die kräftige, hochrote Unterlippe. Seine Augen, saphirblau und vorstehend, mit dicken Tränensäcken und kaum zuckenden Wimpern, zeigten um die Iris das Weiß glänzenden Porzellans. Ein Blick, starr wie der einer Statue, träge und seltsam betörend. Er sprach ungezwungen, lachte herablassend und maliziös.
    Zweimal im Jahr bestellte sich mein Vater maßgeschneiderte Hemden; meine Mutter mußte ihre Schuhe immer wieder neu besohlen lassen. Er kaufte sich Kaschmirpullis und englische Trenchcoats; meine Mutter trug zehn Jahre lang den gleichen Wintermantel. Die Wolle war längst abgeschabt, das Futter zerrissen, aber mein Vater sagte: »Du bist immer noch die Eleganteste.«
    Meine Mutter zog den Mantel an und schwieg. Sie streute Kugeln gegen die Motten in die Schränke; der Geruch umhüllte sie wie die Essenz eines Parfüms, mir wird noch heute schlecht davon.
    Als Schülerin besaß ich nur ein Paar Jeans, einige Blusen und zwei Röcke, einen geblümten für den Sommer und einen aus Wolle für den Winter.
    Meine Wäsche war grau vom vielen Waschen, die Gummibänder ausgeleiert, und die Nähte meiner beiden Nachthemden hatten Löcher unter den Ärmeln. An jenem Morgen, als ich Bruno begegnete, war ein Träger meines Büstenhalters abgerissen. Ich hatte ihn mit einer Sicherheitsnadel festgesteckt.
    Ich hatte gerade Brot geholt und lief über die Straße. Plötzlich kreischten Bremsen. Ein heftiger Stoß – ich lag mit dem Gesicht auf dem Pflaster.
    Bruno war geschäftlich unterwegs nach Marseille und hatte in Arles im Hotel
    »Arlatan« übernachtet. Als er nach dem Frühstück durch die engen Gassen der Altstadt fuhr, war ich auf dem Kotflügel seines Wagens gelandet.
    Meine linke Hüfte schmerzte, ebenso das Knie. Wie durch Nebel drangen aufgeregte Stimmen in mein Bewußtsein. Ein Mann faßte mich an den Schultern und half mir hoch. Ich schwankte ein wenig, stützte mich auf ihn, auf die Kühlerhaube des Wagens, ich weiß es nicht mehr. Ich biß die Zähne zusammen, spürte, wie mir der Schweiß kalt über den Rücken lief. Endlich klärte sich mein Blick. Ich krümmte mich und stöhnte vor Schmerz, während der Mann, der mich stützte, betroffen und mit fremdem Akzent auf mich einredete. Er war jung, mit herben, nicht unsympathischen Zügen und dunklem Haar.
    »Sind Sie verletzt? Haben Sie Schmerzen?«
    Eine Menge Leute drängten sich um den Wagen. Ich spürte etwas Klebriges an 14
    meinem Bein, und als ich hinsah, tropfte das Blut aus einer Platzwunde. Der junge Mann reichte mir mit zitternden Händen ein großes, sauber gefaltetes Taschentuch.
    »Oh, Gott, das ist ja ganz entsetzlich! Sie sind so unerwartet über die Straße gelaufen! Ich konnte nicht mehr rechtzeitig bremsen. Und dabei fahre ich immer so vorsichtig!«
    Das tat er. Er kaufte gute, teure Wagen, die er im Durchschnitt fünf Jahre behielt. Solange wir verheiratet waren, hatte er nie einen Unfall gehabt.
    »Es ist nicht so schlimm«, sagte ich, als ich endlich wieder sprechen konnte.
    Meine Hüfte tat weh, aber zum Glück war nichts gebrochen. Ich lächelte, um den Mann zu beruhigen. Er starrte mich an; ich sah, wie sein Blick sich veränderte. Ich war nicht mehr irgendeine Fußgängerin, sondern ein Mädchen, das er plötzlich wahrnahm.
    In seiner Panik schlug er vor, mich zum nächsten Krankenhaus zu fahren.
    Doch, doch, ich brauche unverzüglich eine Spritze gegen Blutvergiftung! Ich schüttelte den Kopf. Er sollte sich keine Sorgen machen, es war wirklich nicht schlimm. Die Leute merkten inzwischen, daß nicht viel passiert war, und zerstreuten sich. Einige Fahrer begannen ungeduldig zu hupen.
    »Erlauben Sie mir wenigstens, Sie nach Hause zu fahren«, sagte der junge Mann, »Sie müssen die Wunde so schnell wie möglich behandeln.« Er hielt mir die Tür auf. Ich zögerte, aber nur kurz. Das Bein mit einer kleinen Grimasse nachziehend, stieg ich in den blauen Taunus mit dem Schweizer Nummernschild und zeigte ihm den Weg.
    So fing es an. Wie Bruno mir später erzählte, war es für ihn die berühmte Liebe auf den ersten Blick. Er schlug vor, auf der Rückreise wieder vorbeizukommen.
    Er wollte mich in ein

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