Silberschwester - 14
und winkte
der jungen Frau, ihm ein wenig vom Getriebe am Tor fort zu folgen. Im Schein
einer anderen Fackel und im knappen Regenschutz des Wehrgangs an der Palisade
blieb er stehen, drehte sich wieder zu ihr um, legte den Kopf schräg und ließ
seinen Blick langsam an ihr auf und ab wandern. Sie wurde nicht verlegen, wie
er das bei dieser eingehenden Musterung eigentlich erwartete, und sie sah auch
nicht neugierig um sich, wie man es von jemand, der zum ersten Mal in das
geschäftige Treiben eines Adelssitzes kam, erwarten konnte. Nein, sie stand
nur, mit ihrem Bündel in der einen Hand, ruhig da und sah ihn gleichmütig an.
Das verunsicherte ihn und weckte zugleich sein Interesse.
»Wenn du nicht
hier bist, deine Gunst im Lager zu verkaufen, wozu dann? Spekulierst etwa auf
ein Plätzchen im Bett eines Adeligen oder eines der großen Barden? Oder gar
darauf, die Gefährtin eines der Hexer zu werden, he?«
»Wie gesagt,
mein Herr, ich bin hier, um an jenem Wettstreit teilzunehmen«, erwiderte die
junge Frau, mit dem Hauch eines Lächelns in den Augen und tiefer und weicher
Stimme, wie der Hauptmann bei sich vermerkte.
»Ich
verstehe«, prustete er. »Und du bist sicher eine große Magierin, die den
Stürmischen Ozean überquert hat und gerne inkognito reist?«
Jetzt trat ihr
dieses Lächeln auch auf die Lippen. »Ich bin, was ich scheine, Herr. Und meine
Reise, obwohl sehr lang und beschwerlich, hat mich ja nur über die Gewässer
geführt, die dem Herzen Irlands entströmen.«
Der Hauptmann
schüttelte so belustigt wie verdutzt den Kopf. »Schön«, sagte er nach einer
Weile. »Zumindest warst du so klug, mir keine Lügen aufzutischen. So will ich
Gleiches mit Gleichem vergelten und dir auch reinen Wein einschenken: Du hast
so viel Aussicht, dich unter diese Kämpfer einzureihen, wie ich, auf jenem
Königsthron einen Sohn von meinem Samen oder Namen zu sehen.«
Ihr Lächeln
wankte nicht und schwankte nicht. »Ging das Wort des Königs nicht an alle, und
war es nicht die Einladung an alle, die jenes Amt zu erlangen trachten
könnten?«
»So war es«,
bestätigte der Hauptmann und fragte sich, warum ihn ihre Stimme an gut gereiften
Met erinnerte. »Doch des Königs Wort und des Königs Sinn sind zweierlei.« Damit
blickte er um sich, winkte sie nah zu sich her und fuhr mit gesenkter Stimme
fort: »Und wenn du auch die geschickteste Dorfseherin oder die klügste und
beste Heckenhexe im ganzen Reiche wärst … es würde dir nichts nützen. Denn wen
sucht König Udd für jenes Amt? Einen Mann, vorzugsweise einen von ehrwürdigem
Alter, der allein schon durch seine Erscheinung, durch Gesicht und Mimik,
Statur und Auftreten, den Eindruck von großer Weisheit, großem Können erweckt.
Was er verlangt, ist nicht so sehr Macht als der Anschein davon … Und wenn
dieser Schein trügen sollte, wäre das nicht weiter schlimm, vielmehr«, und nun
zuckte er die Schultern, »umso besser.«
Die junge Frau
nickte kurz, was ihn wiederum so unsicher wie neugierig machte, und sagte mit
einem Lächeln: »Hab Dank für deine reiche Auskunft über die Wünsche des Königs
…« Darauf verabschiedete sie sich mit einer Verbeugung und wandte sich zum Tor.
»Warte!«, rief
er, kaum dass sie einige Schritte getan hatte. »Nur die Götter wissen, warum,
aber ich kann dich an einem Abend wie diesem nicht einfach auf die Straße
zurückschicken.« Damit löste er ein Abzeichen, eine bunt bemalte Holzscheibe an
einem Lederriemen, von seinem Gürtel und reichte es ihr. »Geh ins Lager vor dem
Nordwall und suche das Zelt, über dem ein Banner mit diesem Zeichen weht.
Sollte jemand dich anhalten oder vielleicht meinen, er könnte sich dir
gegenüber etwas herausnehmen, zeigst du ihm dieses Abzeichen und sagst, du
stündest unter meinem Schutz. Zeige es auch meinem Burschen, er wird dir dann
Fleisch, Brot und Wein geben. Und sage ihm auch, dass du heute Nacht in meinem
Zelt schläfst.«
Wieder
fixierte sie ihn nun mit ihren haselnussbraunen Augen. »Und welche Belohnung
erwartest du für deine Großzügigkeit?«
Fast schon
verlegen gab der Hauptmann da zur Antwort: »Tja, Kind, eben das lässt mich
fürchten, dass die Götter mir meine Männlichkeit betäubt haben! Ich erwarte
nichts. Und ich habe Dienst bis zum Morgengrauen.«
»Mögen deine
und meine Götter dich doppelt für diese freundliche Geste segnen!«, dankte sie
ihm mit warmem Lächeln und wandte sich wieder zum Gehen.
»Hast du auch
einen Namen, Mädchen?«
»Ja doch,
Herr.
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