Silberstern Sternentaenzers Sohn 05 - Die alte Prophezeiung
„Nein, Annit, kein Versprechen.“
„Aber...“ ...
„Aber eine Zusage“, sprach Elena weiter.
„Ihr werdet also selbst noch mal mit euren Familien in der Türkei und in Griechenland reden, um diesen dämlichen Streit aus der Welt zu schaffen?“, hakte Annit nach.
„Ja“, sagte Elena ernst. „Das werden wir. Dank dir haben wir dafür neuen Mut bekommen.“
Annits Blick wanderte zu ihrem Vater. Der nickte stumm.
Annit war erleichtert und froh zugleich, dass es endlich heraus war. Dass sie ihren Eltern alles gesagt hatte.
Nun gab es eigentlich nur noch eine Sache zu klären. Mannito und sie brauchten Geld für die weite Reise. Geld, das ihre Eltern ihr nicht geben konnten. Sie hatte daher bereits überlegt, den Rosenquarz zu verkaufen, den ihr Vater ihr geschenkt hatte. Einen riesengroßen, rosa schim mernden Stein. Achmed hatte fast sein Leben riskiert, um ihn zu bergen. Es fällt mir echt nicht leicht, mich von diesem Stein zu trennen. Aber es ist die einzige Chance, etwas Geld aufzutreiben. Ich hoffe nur, sie verstehen das.
Ein feines Lächeln umspielte Elenas Lippen, nachdem Annit ihren Wunsch geäußert hatte, den Rosenquarz zu verkaufen.. „Es ist richtig so, Tochter. Der Rosenquarz als Stein der Liebe und der Freundschaft hat seinen Zweck erfüllt. Er hat uns als Familie zusammengeführt. Aber nun brauchen wir ihn nicht mehr.“ Liebevoll strich sie über Annits Haar. „Wir brauchen kein Symbol mehr, um uns als Familie zu fühlen.“ Elena tätschelte ihre Wange. „Es ist absolut richtig und du musst deswegen kein schlechtes Gewissen haben, Tochter. Er gehört dir und du kannst damit machen, was du willst.“
Gemeinsam beschlossen sie, dass Achmed sich demnächst auf den Weg zum Teppichhändler machen sollte. Der hatte schon mal Interesse an dem Stein gezeigt und dafür ein ordentliches Sümmchen geboten.
Der Abschied naht
Es regnete. Zum ersten Mal, seit vielen Wochen regnete es. Dicke Tropfen klatschten auf den staubtrockenen Boden. Annit war gerade erst aufgestanden. Das ungewohnte Geräusch hatte sie gleich zum Fenster gelockt. „Juhu!“, jubelte sie los. Dann stürmte sie nach unten. „Mannito! Wach auf! Mannitoooooooo!“, kreischte sie hysterisch Richtung Wohnzimmer, während sie noch in ihrem Schlafshirt aus dem Haus raste. Draußen streckte sie den Kopf in den Himmel und genoss das Gefühl der Tropfen auf ihrer Haut. „Wie schööööön!“, juchzte sie. Sie breitete die Arme aus und drehte sich im Kreis. Wieder und wieder. Barfuß lief sie die feuchte Wiese entlang. Mit Anlauf hüpfte sie in die kleinen Pfützen und freute sich über die dicken Regentropfen, die vom Himmel fielen - so, als wären es Goldstücke. Schließlich kehrte sie zurück ins Haus.
Mannito saß ungerührt am Tisch, verspeiste Oliven und grinste beim Anblick der völlig durchnässten und atemlosen Annit. „Wo kommst du denn her?“
„Es regnet“, stieß Annit mit glänzenden Augen hervor. „Ist das nicht herrlich?“
Achmed betrat den Raum. Er hatte sich fein gemacht und wollte offensichtlich ins Dorf. Ein Lächeln huschte über sein Gesicht. „Das ist ein sehr guter Tag für uns“, sagte er. „Den Regen schickt der Himmel. Regen macht alles gut.“
Stimmt! Fast alles! Annit tastete nach dem Zettel in der Tasche ihres Schlafshirts. Er fühlte sich weich und nass wie ein Lappen an. Sie hatte gestern Abend noch lange mit Carolin telefoniert und der Freundin von ihrem Entschluss, nach Syrien zu reisen, erzählt. Im ersten Moment hatte Carolin gejubelt, aber dann war sie nachdenklich geworden. Annit erinnerte sich an das Gespräch.
„Ist das nicht viel zu gefährlich?“, hatte Carolin gefragt.
„Schon, Caro. Aber offenbar können wir das Geheimnis unserer Pferde nur dort lösen. Das hat Sternentänzer dir ja deutlich in deiner Vision mitgeteilt“, gab Annit zurück.
„Außerdem hab ich Angst, Annit“, hatte Carolin dann leise hinzugefügt und so laut geschluckt, dass man es am anderen Ende der Leitung hören konnte. „Ich hab Angst vor dem, was wir herausfmden könnten.“
„Ich auch.“ Annit hatte sich um eine feste Stimme bemüht. „Aber es ist da, Caro, ob wir es wissen oder nicht. Es verschwindet nicht dadurch, dass wir es ignorieren. Aber wenn wir wissen, was es ist, können wir vielleicht etwas dagegen tun. Was man nicht kennt, kann man nicht bekämpfen.“
Pause. Schweigen.
„Hast du eine Adresse, Caro?“,
Weitere Kostenlose Bücher