Silbertod
war, dass dieser Stumpf auf eine Weise ausgebrannt war, dass er wahrhaftig einem Thron glich, einem Thron mit allem Drum und Dran, zwei Armlehnen, vier stabilen Beinen und einer hohen Rückenlehne. Dieser hölzerne Thron wurde Cathaoir Feasa genannt – Stuhl der Erkenntnis. Die Leute glaubten, wer in der Lage sei, eine ganze Nacht von der Abend- bis zur Morgendämmerung auf dem Cathaoir Feasa zu verbringen und am nächsten Morgen aus eigener Kraft den Berg hinunterzukommen, der müsse zweifelsfrei ein Kind der Geister sein. So ein Kind werde mit der Gabe der Dichtkunst sowie mit einer ausgeprägten Reiselust gesegnet.
Meine Eltern warnten mich vor der Gefahr. Der Letzte, der auf dem Cathaoir Feasa gesessen hatte, war als nervliches Wrack zurückgekehrt. Er hatte keine Verse, sondern nur unzusammenhängendes Gestammel von sich gegeben, und gereist ist er in seinem Leben nicht weiter als bis zur Irrenanstalt. Ich will nicht leugnen, dass mir Bedenken kamen, aber ich war auch neugierig. Und so kam es, dass ich mich im fortgeschrittenen Alter von zehn Jahren von den Dorfbewohnern verabschiedete und an einem Herbsttag frühmorgens zum Teufelsrücken aufbrach. Es war frisch und ich machte michgut gelaunt an den Aufstieg. Als ich die halbe Strecke hinter mir hatte, änderte sich das Landschaftsbild allmählich. Es war plötzlich, als hätte der Winter schon Einzug gehalten. Die wenigen Bäume, die hier wuchsen, reckten ihre kahlen Äste in den Himmel, und der Boden bestand zunehmend aus blankem Felsgestein. Der Himmel wurde grau, Regen drohte und der Wind frischte auf. Die See, herrlich blau bei meinem Aufbruch im Dorf, war nun fast schwarz und mit brandenden weißen Wellenkämmen gespickt. Mit der untergehenden Sonne sank auch meine Zuversicht.
Als der letzte Lichtstrahl hinter dem Horizont verschwand, dem Rand meiner bisher bekannten Welt, erreichte ich den Gipfel des Teufelsrückens. Was für ein trostloser Ort! Der schmale Kamm war nicht breiter als fünf Schritte, und da, mitten auf dem Weg, stand der Cathaoir Feasa. Ich erwartete, den Teufel selbst dort zu sehen, denn einen so schwarzen verkohlten Thron hat gewiss nur er verdient. Langsam ging ich darauf zu, setzte mich und hoffte das Beste.
Und das kann ich euch sagen, eine so schreckliche Nacht habe ich noch nie erlebt und ich wünsche mir keine zweite von der Sorte.
Die Natur ließ nichts unversucht, um mich von meinem Vorhaben abzubringen. Kälte sank herab und biss mit ihren rasiermesserscharfen Zähnen in meine Wangen und Zehen. Der Wind heulte mir um die Ohren und raunte abscheuliche Gedanken in mein Hirn, die jeden Mann verrückt machen würden. Ich zitterte wie Espenlaub und umklammerte in Todesangst die Armlehnen des Thronsessels, denn der Windblies so kräftig, dass ich befürchten musste, hochgerissen und über die Bergkante geschleudert zu werden. Dann kroch zäher Nebel den Berg herauf, waberte um mich herum und wälzte sich über mich. Nach dem Nebel kam der Regen und durchnässte mich bis auf die Haut.
Ich hatte keine Ahnung, wie spät es sein mochte; vielleicht war eine Stunde vergangen, vielleicht waren es vier, als sich der Wind endlich legte und der Regen in leichtes Nieseln überging. Ich dachte, ich hätte das Schlimmste überstanden. Aber dann ging der Lärm los. Heulen und Rauschen, Bellen und Brüllen. Rechts und links von mir zerbarst das Holz wie unter den Schritten eines Riesen. Und ich spürte auch etwas – zweifellos strichen mir die bösen Geister übers Gesicht und drückten ihre kalten Lippen an meine Ohren. Langsam hatte ich das Gefühl, ich wäre tatsächlich drauf und dran, wahnsinnig zu werden. Ich schwöre beim dreibeinigen Hocker des großen Sängers Porick O’Lally, dass ich gespürt habe, wie Hände an meiner Kleidung rissen, wie sie an mir zupften und zerrten und versuchten, mich vom Thron zu ziehen. Meine letzte Erinnerung an diese Nacht ist der Anblick des pferdefüßigen Teufels persönlich, wie er in einem gezackten Blitzstrahl direkt vor mir stand.
Erwacht bin ich dann von der lieblichsten Melodie auf der Welt. Vogelgezwitscher. Und während ich diesem gesegneten Gesang lauschte, sah ich einen Lichtstreifen. Die Sonne brach durch die Dunkelheit, die über dem Meer hing. Ich habe gespürt, nicht gesehen, wie die Geister auf dem Bergkamm vor der aufziehenden Morgendämmerung flohen. Ein überwältigendes Glücksgefühl überkam mich und dann tiefe Erschöpfung.
Als ich endlich ins Dorf getaumelt kam, bot ich dem
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