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Silbertod

Silbertod

Titel: Silbertod Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: F E Higgins
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Substanzen aus diesem Prozess unter der Erde hangabwärts in den Foedus. Eine Zutat unter vielen, die seine giftige Brühe ausmachten. Es war nicht unbekannt, dass sich Leichen hier innerhalb von Monaten in Skelette verwandelten – ein Phänomen, das im Wirtshaus Zum Flinken Finger oft diskutiert wurde.
    Pin dachte jedoch nicht an verwesende Leichen, während er nun zwischen den unregelmäßigen Reihen der Grabsteine hindurchging. Er schritt zielstrebig voran, bis er ein namenloses Holzkreuz erreicht hatte. Es hing etwas nach links über, und da der Boden fest gefroren war, kostete ihn der Versuch, es aufzurichten, einige Mühe. Am Fuß des Kreuzes lag ein kleiner Strauß weißer Trockenblumen,steif vor Kälte. Er hob ihn auf, bevor er sich in den Schnee kauerte.
    »Mutter«, sagte er leise, »ich bin schon eine ganze Weile nicht hier gewesen, es tut mir leid, aber Mr Gaufridus hält mich ganz schön auf Trab. Heute Nacht muss ich auch wieder arbeiten. Weißt du, lieber arbeite ich, als dass ich eine Nacht bei Barton Gumbroot zubringe. Das ist ein ganz Hinterhältiger, er fragt mich immerzu nach Vater. Kommt er zurück? Hat er’s wirklich getan? Und dann weiß ich nicht, was ich sagen soll.«
    Nach jeder Frage hielt Pin kurz inne, fast als erwarte er eine Antwort, aber es kam nichts. So blieb er fröstelnd im Schnee sitzen, beachtete die immer dichter fallenden Flocken nicht und drehte die Blumen in seiner Hand.

Kapitel 3

    Ein Todesfall in der Familie
    E
s war fast zwei Monate her, in den ersten Januartagen, doch Pin erinnerte sich an diesen Abend, als wäre es erst gestern gewesen. Als er damals nach Hause gekommen war, wusste er schon, während er die Treppe hinaufging, dass etwas nicht stimmte. Er konnte aufgeregte Stimmen hören, übertriebenes Schluchzen, und im oberen Flur sah er dann, dass sich eine kleine Menschenmenge vor seinem Zimmer versammelt hatte. Manche Gesichter erkannte er, die Frau von nebenan, den Schornsteinfeger von gegenüber, die Wäscherin aus dem Erdgeschoss. Als Pin in ihre Gesichter blickte, kroch kalte Angst in ihm hoch. Er drängte sich durch die Menge ins Zimmer, und da sah er die leblose Gestalt, die ausgestreckt vor dem kalten Kamin lag. Ein untersetzter Mann in dunkler Kleidung beugte sich gerade über den Körper.
    »Vater?« Pins Stimme zitterte.
    Der Mann sah auf und fragte in offiziellem Ton: »Bist du Pin Carpue?«
    Pin nickte.
    »Und das ist dein Vater?« Er trat zur Seite und das Gesicht des Toten wurde vollends sichtbar.
    Pin schluckte schwer und zwang sich hinzusehen. »Nein«, sagte er, »das ist mein Onkel Fabian. Aber mit dem habe ich nichts zu tun.«
    »Wie es aussieht, bist du da nicht der Einzige, der das behauptet«, sagte der Mann, während er sich zu voller Größe aufrichtete und vielsagend hüstelte. Er brachte ein kleines schwarzes Notizbuch und ein Stück Kohle zum Vorschein. Erst jetzt erkannte Pin in ihm Mr George Coggley, den örtlichen Wachtmeister.
    »Was ist mit ihm passiert?«, fragte Pin.
    »Erdrosselt höchstwahrscheinlich«, sagte Coggley. »Die Augen treten ihm fast aus dem Kopf. Wo ist dein Vater, Junge?«
    »Ich weiß es nicht«, erwiderte Pin vorsichtig. Er ließ seinen Blick über die Leute wandern, die ihn alle anstarrten.
    »Falls du es weißt, musst du es mir sagen, sonst wirst du Ärger bekommen.«
    »Warum?«
    »Weil wir nämlich denken, dass er’s gewesen is«, redete die Wäscherin dazwischen, und es klang fast schadenfroh. »Er is gesehen worden, wie er weggerannt is.« Sie hatte Pin und seinen Vater nie leiden können und fand es unerträglich, dass sie so taten, als wären sie etwas Besseres. Und erst die Mutter! Für wen hielt sie sich eigentlich – Gott sei ihrer Seele gnädig –, dass sie einfach so über die Brücke daherkam und hier wohnen wollte? Für Nordstädter war auf dieser Seite des Flusses kein Platz. Die passten nicht hierher.
    »Flucht vom Ort des Verbrechens«, gab Wachtmeister Coggley zu bedenken. »Er muss der Mann sein, den wir suchen.«
    »Ich hab immer gewusst, mit dem nimmt’s noch ’n schlimmes Ende«, murmelte einer aus der Menge. »Sinn’ doch alle gleich, diese Leute. Nix als Flausen im Kopf und wissen nich, wo sie hingehören. Das hat noch kei’m nich gutgetan.«
    Sprachlos und verwirrt stand Pin im Mittelpunkt all des Getuschels und der Anschuldigungen. In diesem Augenblick hasste er sie alle, hasste ihre boshaften Blicke und abfälligen Bemerkungen. Er wusste, was sie von seinem Vater hielten.

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