Silbertod
nach, sabbernd, lachend. Pin versuchte sich loszureißen, aber ihre sehnigen Arme schlossen sich wie Schraubstöcke um seine Handgelenke, Arme und Beine.
»Bringt ihn ins Versteck«, herrschte Zeke sie an. »Ich hab Hunger.«
»Halt!«
Eine Männerstimme ertönte hinter ihnen. Sie hielten inne, doch als sie sahen, auf wen sie da gehört hatten, lachten sie nur noch lauter, denn der Fremde war keineswegs eine stattliche Erscheinung. Zu Pins Bestürzung ging er sogar am Stock.
»Eine lahme Ente!«, sagte Zeke. »Geh schön nach Hause, Opa, sonst müssen wir dich auch noch braten!«
»Unterschätzt mich nicht!«, sagte der Mann. Seine Stimme klang schneidend.
»Ha! Was willst du denn tun?«
Da hörte man etwas schwirren und klicken, und ohne Warnung stürzte der Fremde vor und versetzte dem buckligen Bettler einen Stoß mit seinem Stock. Es gab ein knisterndes Geräusch, ein Rauchwölkchen, und Zeke schrie auf und fiel zu Boden. Für einen Augenblick standen seine Kumpane reglos und mit offenen Mündern da, dann liefen sie in alleRichtungen auseinander. Kurz darauf rappelte sich auch Zeke auf und kroch stöhnend davon in den Nebel.
Pin zitterte am ganzen Leib, als er sich nach dem Fremden umdrehte. »Ihr habt mir das Leben gerettet.«
»Nicht doch«, sagte der Mann.
»Wie kann ich Euch das je danken?«
»Mach dir keine Gedanken«, sagte der Fremde. »Ich bin gerade unterwegs zur Brücke. Ist dir das eine Hilfe?«
»Oh ja«, sagte Pin dankbar. »Von dort aus finde ich mich zurecht.«
»Es ist näher, als du denkst«, sagte der Mann. »Ich kenne diese Stadt gut, Nebel oder nicht.« Er schritt schnell voran und hinterließ mit seinem Stock eine Lochspur im Schnee.
»Ich dachte auch, ich würde die Stadt gut kennen«, murmelte Pin beschämt.
»Du hast heute Abend das Biest gesehen«, sagte der Mann, doch nicht etwa im Plauderton, sondern wie um etwas zu bestätigen, das er schon wusste.
»Ja, das stimmt«, antwortete Pin etwas überrascht. »Woher wisst Ihr das?«
Pin nahm an, der Fremde habe ihn nicht verstanden, denn es kam keine Antwort. Sie gingen zügig weiter, wobei ständig dieses merkwürdige Ächzen und Knarren ihre knirschenden Schritte begleitete. Schließlich schien sich der Nebel etwas zu lichten, und Pin erkannte in den leuchtenden Flecken, die nach und nach vor seinen Augen auftauchten, die Straßenlampen und Wirtshäuser auf der Brücke. Sie hatten den Foedus erreicht. Pin fühlte sich langsam wieder sicher.
»Von hier aus kenne ich den Weg«, sagte Pin mit hörbarer Erleichterung. Er stand mit dem Rücken zur Uferböschung. »Ich danke Euch nochmals.« Gerade wollte er dem Fremden die Hand reichen, als ihn etwas ablenkte: Die ächzenden Laute hatten so plötzlich aufgehört, wie sie eingesetzt hatten, und es war klarer geworden.
»Hört Ihr?«, sagte er. »Dieses sonderbare Knarren ist nicht mehr da.«
Doch der Fremde machte sich gerade eifrig an seinem Stock zu schaffen.
»Sagt, was habt Ihr vorhin mit diesem Stock angestellt?«, fragte Pin neugierig.
Der Mann sah auf und ging einen Schritt auf ihn zu. Aus seinem Geruch schloss Pin, dass er sich wahrscheinlich nicht allzu oft wusch.
»Nun«, kam die Antwort, »schade, dass du das gesehen hast.«
»Warum?« Pins Vertrauen in diesen sonderbaren Retter geriet plötzlich ins Wanken.
»Weil es mein kleines Geheimnis ist.«
»Ich kann Geheimnisse gut für mich behalten«, sagte Pin, wobei er langsam zurückwich, bis seine Absätze gegen die Ufermauer stießen.
»Davon bin ich überzeugt.«
Unvermittelt trat der Mann auf Pin zu und fuhr grob mit der Hand in dessen Tasche.
»He!« protestierte Pin, doch bevor er noch etwas sagen konnte, hörte er es schwirren und klicken, spürte etwas mitexplosivem Knall gegen seine Brust prallen und gleich darauf durchfuhr ihn ein elektrischer Schlag wie von einem Blitz. Er machte einen Satz rückwärts und stürzte über die Mauerkante. Er merkte, wie er fiel. Die Zeit verging langsamer als sonst und der Weg bis zur Wasseroberfläche kam ihm unendlich weit vor.
Ich rieche den Foedus gar nicht mehr, dachte er noch, bevor alles um ihn herum schwarz wurde.
Kapitel 27
Gerettet
G
imir ma’ ’ne Kartoffel«, lallte der junge Bursche und zupfte an Beags Ärmel, während er ihm aus der Tür des Flinken Fingers folgte. Beag schüttelte den Kopf und wollte weggehen. Er hatte friedlich in einer Ecke gesessen und sein Bierchen getrunken, als der junge Kerl ihn als den Kartoffelweitwerfer erkannt und
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