Silvermind (German Edition)
zeugten noch solche, die Wünsche beinhalteten, an den Leader gerichtet. Die vergangene Nacht hatte er als das betrachtet, was sie gewesen war. Ein Ausrutscher, ein schwacher Moment seitens Neros.
Ray konnte den Schmerz nicht verhindern, der sich in seiner Brust eingestellt hatte. Die Hände zu Fäusten geballt kämpfte er innerlich dagegen an, doch verlor. Demütigung fraß sich durch seine Eingeweide, die kalte, beißende Bloßstellung. Die Szene in der Dusche flimmerte vor seinem geistigen Auge, verhöhnte ihn, spottete über seine Naivität.
Braune Augen brannten sich in seine, eine scharfe Stimme knurrte, dass Ray ihn ansehen sollte. Die Verbindung zwischen ihnen war dadurch unglaublich intensiv gewesen, hatte die Empfindungen gesteigert, das lustvolle Ziehen. Rohe Gier hatte in Neros Blick gelegen, die Ray bereit gewesen war, zu stillen.
Ray versuchte, die Worte nicht allzu sehr an sich heranzulassen, doch sie waren in seinem Hirn eingebrannt, wiederholten sich stetig. Er fühlte sich wie ein waidwundes Tier. Verletzt und blutend. Seine Erwartung nach der Nacht war gegen Null gegangen. Trotzdem saß die Enttäuschung tief. Er presste die Lippen aufeinander, versuchte, die lavagleiche Wut zu verdrängen, die sich wie Säure durch seinen Körper fraß. Ihm war schlecht ob der Schmach, die er empfand. Eingelassen auf den Leader verspürte er Abscheu gegenüber sich selbst. Er hätte es besser wissen müssen. Von Anfang an war ihre Zusammenkunft zum Scheitern verurteilt gewesen. Jetzt konnte es Ray nicht mehr ändern.
Er öffnete die Augen, starrte auf den Parkplatz, der vor ihm lag. Das, was er fühlte, wollte er nicht spüren. Für Nero war es zu viel. Für einen Menschen, der ihn niedergerungen, auf den Boden geschmissen und erbarmungslos auf ihm herumgetrampelt hatte. Die Vorwürfe, die der Leader ihm gegenüber äußerte, waren nicht gerechtfertigt. Ray wäre der Letzte gewesen, der von Nero je etwas gefordert hätte.
„Ray?“
Er warf einen Blick zur Seite.
„Was gibt’s, Blair?“, meinte er mit rauer Stimme, woraufhin er sich räusperte. Er war keine Memme. Schwäche konnte er sich nicht leisten. Ray hatte Schlimmeres erlebt. Das Geschehen mit Nero würde er auch überleben.
„Nero bricht die Tour ab. Du weißt um die Geschichte seines Bruders?“
„Ja.“
„Neo hat erneut versucht, sich eine Nadel zu setzen. Wir fahren nach Hause.“ Ray schloss die Augen. Ein Zuhause hatte er nicht. In ihrer Heimat würden ihn die Probleme einholen, die er auf der Tour hatte vergessen können. Er würde mit Nichts dastehen, für eine Weile bei Dean wohnen müssen, bis er etwas Eigenes gefunden hatte. Vor allem brauchte er die Dinge aus Rogers Wohnung.
„Okay, ich hole meine Klamotten“, meinte er und stieß sich von der Wand ab. Blair folgte ihm. Je näher sie dem Eingang des Hotels kamen, desto emotionsloser wurde er. Mit taubem Inneren betrat er die Lobby und schlug den Weg zu den obersten Etagen ein.
„Ich begleite dich nach oben“, entgegnete Blair, als Ray vor dem Fahrstuhl stand und ihm einen fragenden Blick zuwarf. Dann nickte er. Sicherlich hatten die Jungs sich abgesprochen, dass Ray nirgends alleine hingelassen wurde. Ihm war es egal. Er würde seine Kraft nicht auf Nero verschwenden.
Oben angekommen legte er zügigen Schrittes den Weg zum Zimmer zurück. Ray hatte nicht viele Sachen und würde nicht lange brauchen, um alles zu packen. Die Tür stand offen, was ihn vermuten ließ, dass Nero anwesend war. Innerlich gestählt betrat er den Raum.
Es kam ihm vor, als wäre er in die zugefrorene Hölle gegangen. Die Temperatur im Zimmer schien unter null zu liegen. Eisige Kälte strahlte ihm entgegen, dröhnendes Schweigen. Ray beachtete Nero nicht. Er ging zu seiner Seite des Bettes, kramte die Sachen zusammen und schmiss sie in die Tasche. Im Bad hatte er nichts liegen. Nach ihrer Ankunft war er nicht einmal dazu gekommen, etwas auszupacken. Binnen weniger Minuten hatte er fertig zusammengeräumt und verschwand mit der Tasche geschultert wieder aus dem Raum. Blair hatte in der Zeit draußen auf dem Flur gewartet und folgte ihm, als er sich auf den Weg zu den Fahrstühlen machte. Der Keyboarder sprach ihn nicht an. Das schätzte Ray. Er wollte momentan seine Ruhe haben, brauchte weder Sprüche noch anderweitige Kommentare. Er würde es sich erst erlauben, über die Sache mit Nero nachzudenken, wenn sie zurück in ihrer Heimat waren. Vorher leistete er sich das nicht. Lieber
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