Sine Culpa
Alkohol oder Zigaretten. Ich ging zur Schule und half in dem Heim für obdachlose Jugendliche aus. Father Richard fragte mich öfter, ob ich mit in die Kirche kommen würde, und Weihnachten, ich war inzwischen sechzehn, gab ich nach. Ich ging zum Abendgottesdienst und dann zur Mitternachtsmesse. Father Richard freute sich so darüber, dass ich in den Wochen danach wiederkam.
Ich war nicht bekehrt, so dramatisch war es nicht. Ich hatte nur einen Platz gefunden, wo ich nicht ständig beurteilt wurde. Ich machte die mittlere Reife ein Jahr später als normal, aber ich hatte einen guten Notendurchschnitt, und man ermunterte mich, auch noch das Abitur zu machen. Da war ich neunzehn, und zu alt, um noch in dem Heim zu wohnen, aber es gab da eine kirchliche Jugendherberge, und da hab ich mir Unterkunft und Verpflegung verdient.«
Paul hielt inne. Seine Augen waren wieder klar, seine Emotionen unter Kontrolle. Fenwick stand auf und kochte den Tee, den er fast eine Stunde zuvor versprochen hatte. Als jeder eine Tasse vor sich stehen hatte, bat er Paul, seine Geschichte zu Ende zu erzählen. Er wusste, dass ihn dieser Teil eigentlich nichts mehr anging, aber er wollte gern wissen, ob Paul ein echter Christ war oder nur aus Dankbarkeit der Kirche gegenüber versuchte, einer zu sein.
»Da gibt’s nicht mehr viel zu erzählen.« Paul trank einen Schluck Tee und lehnte sich mit einem Seufzer auf seinem Stuhl zurück. »Nach dem Abitur beschloss ich, Priester zu werden.«
»Entschuldigen Sie die Frage, aber wie sind Sie zum Glauben gekommen?«
Paul sah ihn an, und sein Blick drang Fenwick bis tief in die Seele.
»Aha, die Frage des rationalen Menschen. Sie würden staunen, wie viele Leute das fragen. Meine Antwort wird Ihnen leider nicht viel helfen. Es war ganz einfach. Ich wachte eines Morgens auf, und ich wusste es. Ich wusste, dass es Gott gibt, dass er mich schon lange rief und ich nur zu taub gewesen war, den Ruf zu hören. Es war, als hätten meine Ohren sich geöffnet, und ich hörte Seine Stimme.«
Fenwick schüttelte den Kopf.
»Ich hab ja gesagt, dass Sie damit nichts anfangen können. Jeder muss Gott auf seine Weise finden, aber es hilft jedenfalls, wenn man im Leben Raum hat, um hinzuhören.« Er schwieg, wartete auf Fenwicks Antwort, und als keine kam, lächelte er.
»Versuchen Sie, öfter als nur zweimal im Jahr in die Kirche zu gehen. Das ist ein Anfang.«
Fenwick war verlegen. Irgendwie hatten sie auf einmal die Rollen getauscht. Er hatte diese Küche als Polizist betreten, bereit, falls nötig, einen Priester festzunehmen, und jetzt fühlte er sich fast wie auf der Anklagebank. Er räusperte sich laut, überlegte, was er als Nächstes sagen sollte, doch das Klingeln seines Handys erlöste ihn.
»Andrew, ich bin’s, Louise. Eine Verkehrsstreife hat gerade William Slants Auto in dem Dorf unterhalb von Edwards’ Haus gefunden. Von ihm keine Spur, aber es könnte sein, dass er Sam zu Edwards gebracht hat.«
»Irgendeine Spur von dem Jungen?«
»Nein. Wir haben Edwards’ Haus und die Nebengebäude durchsucht, und da ist er nicht. Wir fangen jetzt mit dem Wald an, aber es ist ja schon dunkel. Selbst für eine oberflächliche Suche brauchen wir mindestens vierundzwanzig Stunden. Und Edwards redet nicht, zumindest noch nicht.« Er hörte die Verachtung in ihrer Stimme.
»Was ist los?«
»Dieser verdammte Scheißkerl!« So hatte er sie noch nie erlebt. »Er hat durchblicken lassen, dass er sich vielleicht an William Slant erinnern könnte, wenn wir ihm Straffreiheit anbieten.«
»Niemals!«
»Genau, aber …« Sie stockte, und er hörte, wie sie tief durchatmete. »Er sagt, bei Slants Fahrt hierher sei es darum gegangen, ›letzte Probleme auszuräumen‹. Andrew, er hat praktisch zugegeben, dass Sam in Gefahr ist und dass wir schnell handeln müssen.«
»Wann wurden Sam und Slant zuletzt zusammen gesehen?«
»Vor über drei Stunden. Vielleicht ist Sam ja schon tot, aber …«
»Davon dürfen wir nicht ausgehen!«
»Ich weiß.« Sie versuchte, ihn zu beruhigen. »Aber Edwards wird nicht einknicken. Entweder wir gehen auf seine Forderung ein und kriegen die Informationen, oder Sam stirbt. So sieht’s aus.«
»Großer Gott!« Fenwick legte eine Hand vor die Augen und versuchte nachzudenken. »Der hält den Jungen selbst jetzt noch für sein Eigentum.«
»Quinlan hat gesagt, ich soll den A.C.C. anrufen – genauer gesagt, er denkt, dass ich das gerade tue.«
»Tu’s nicht. Er wird klein beigeben.
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