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Sine Culpa

Titel: Sine Culpa Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Elizabeth Corley
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dem Markt neue Kleidung und ein paar Sportschuhe gekauft. Er war so freundlich, und er wollte absolut nichts von mir, nichts. Während ich mich anzog, kochte er uns ein schönes Essen: Steaks, Kartoffeln, Dosentomaten, und für mich gab’s sogar eine Cola. Wir hatten beide keinen großen Hunger, aber wir aßen trotzdem. Hinterher fragte er mich, was ich tun wollte. ›Bei dir bleiben‹, sagte ich, aber er schüttelte den Kopf. ›Ich würde es mir ja wünschen, mein Junge, aber das geht nicht. Du musst zu deinen Eltern zurück. Ich bring dich hin.‹ Das war natürlich das Letzte, was ich wollte. Also log ich ihn an. Ich sagte ihm, ich würde lieber allein nach Hause fahren. Er war ein anständiger, einfacher alter Mann, und er glaubte mir.
    Er wusch meine alten Sachen durch, und während sie trockneten, machte er mir Sandwichs für die Fahrt. Ich packte alles ein, und wir schnallten meine Sachen auf den Gepäckträger. Im letzten Moment schob er mir noch einen Umschlag in die Hand. Als ich ihn abends öffnete, waren fünfzig Pfund darin und ein Foto von Jim. Da ist es.« Paul öffnete sein Portemonnaie und zog ein Schwarzweißbild heraus. Es war so abgegriffen, dass das Gesicht nur noch verschwommen zu erkennen war.
    »Vor einigen Jahren bin ich hingefahren. Es war natürlich zu spät, und als ich nach ihm fragte, hatte keiner je von ihm gehört. Er muss inzwischen gestorben sein, damals war er schon über siebzig, aber wenn ich durch die Straßen gehe, suche ich noch immer nach seinem Gesicht.«
    »Sind Sie deshalb Priester geworden?«
    »Nein! Jim war überzeugter Atheist. Priester bin ich wegen Father Richard geworden. Irgendwann landete ich in London. Ich habe mir auf irgendwelchen Parktoiletten die Haare gefärbt, und in den neuen Sachen von Jim sah ich ganz proper aus. Unterwegs hatte ich immer darauf geachtet, nur außerhalb der üblichen Schulzeiten auf der Straße zu sein. Aber in London spielte es natürlich keine Rolle mehr, ich war bloß einer von unzähligen Jugendlichen, die auf der Straße lebten. Inzwischen sah ich nicht mehr so aus wie auf dem adretten Schulfoto, und das Wetter war schlechter geworden. Bei Regen sind die Menschen viel unaufmerksamer. Ist Ihnen das schon mal aufgefallen?«
    »Und ob. Ganz schön lästig in meinem Beruf.«
    »Kann ich mir vorstellen, aber mir hat’s geholfen. In London wurde ich unsichtbar, besonders hiernach.« Er berührte die Narbe. »Ich machte das, was am Ende viele weggelaufene Jungs machen, sie verdingen sich als Stricher, in der Gegend um King’s Cross und Euston. Nach wenigen Monaten war ich heroinsüchtig und gab das Geld, was ich verdiente, überwiegend dem Dealer. Als ich fünfzehn war, arbeitete ich ununterbrochen, bloß um mir einen Schuss setzen zu können, und ich war halb verhungert, weil alles Geld für Drogen draufging. Ich fing an zu klauen, sogar in Wohlfahrtsläden. Bei denen wurde nicht so gut aufgepasst, dachte ich zumindest. Erwischt haben sie mich in einem Laden für die Aktion ›Rettet die Kinder‹, Ironie des Schicksals, was? Die Frau da wollte gleich die Polizei holen, aber einer der Kunden hielt sie davon ab. Das war Father Richard. Wenn er nicht zufällig in dem Laden gewesen wäre, wer weiß, was aus mir geworden wäre – wahrscheinlich wäre ich jetzt tot.
    Er hat mich sofort ins Krankenhaus gebracht. Ich hatte eine Blutvergiftung. Ich sagte, mein Name wäre Justin Miller und ich wäre von zu Hause weggelaufen. Ich weigerte mich, den Namen meiner Eltern zu nennen. Niemand erkannte mich. Als ich eingeliefert wurde, war ich nur noch Haut und Knochen, die wenigen Haare, die ich noch hatte, waren blond gesträhnt, und meine glatte Haut war dahin. Wenn irgendwer das Schulfoto neben mein Kopfkissen gehalten hätte, er hätte mich nicht erkannt.
    Ich wäre fast gestorben und musste über einen Monat im Krankenhaus bleiben. Father Richard kam mich fast jeden Tag besuchen, und als ich entlassen wurde, hat er mich abgeholt. Er besorgte mir einen Platz in einem Heim und überredete mich sogar, wieder zur Schule zu gehen. Ich musste viel aufholen, aber während der Zeit im Krankenhaus war mir klar geworden, dass ich auf dem besten Weg war, mich umzubringen, und das hatte mich aufgeschreckt und zur Vernunft gebracht.
    Der Gedanke an eine Zukunft war fast beängstigender als zu sterben, aber ich kam zu dem Schluss, dass nichts im Leben, nicht mal in meinem Leben, völlig sinnlos sein sollte. Ich habe danach nie wieder Drogen angerührt oder

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