Single in the City - Frl. Garbers rennt durch die Stadt
wird es, wenn der Single sich »E-Mail für dich« ausleiht. E-Mail für dich ist übrigens auch so eine der Alternativ-Beschäftigung an einem regnerischen Abend: Singletreffen im Internet.
Das ist eine nach wie vor seltsame, aber höchst demokratische Art, sich näherzukommen. Seltsam, weil man wildfremden Menschen, mit denen einen absolut nichts verbindet, außer dass man abendsnichts Besseres zu tun hat, als wildfremden Menschen E-Mails zu schreiben, Dinge erzählt, die sonst nur die besten Freunde wissen. Demokratisch, weil man Menschen, die sich zwar »Harrison F.« nennen, aber aussehen wie Helmut M., im Internet eine Chance gibt, die sie am Bartresen nie bekommen würden.
Das Schönste ist, dass der große Unbekannte alles sein könnte. Vor allem der Traummann. Das gleiche Gefühl, das einen dazu treibt, Lottoscheine auszufüllen, ist es auch, das uns in die Singleforen und auf die Seiten der Online-Partnerschaftsvermittlungen treibt. Es ist die Hoffnung auf den Jackpot. Frau Zeh zum Beispiel hatte sich irgendwann bei so einem Singledienst angemeldet. Schon nach kurzer Zeit schrieb sie sich regelmäßig mit einem reichen französischen Adligen, einem reichen Inder und einem reichen Italiener.
Sie fand nicht mehr die Zeit, ihre Wohnung zu putzen, vernachlässigte ihre Freunde und begann, ein Parallelleben zu führen. Sie litt, wenn der Franzose von seinen Affären berichtete, glaubte dem Italiener, wenn er eine Seelenverwandtschaft feststellte, und hielt den Inder zurück, wenn er versuchte, nach Berlin zu kommen. Dann forderte sie Fotos ein. Zuerst schickte der französische Adlige sein Bild. Er saß auf einem Pferd und hatte eine enorm große Reitkappe auf. »Sieht er nicht toll aus?«, fragte Frau Zeh. »Das Pferd?«, fragten wir zurück, weil man von dem Mann nicht viel sehen konnte. »Ich fahre zu ihm«, sagte sie. Wir haben dann den Abend damit zugebracht, ihr von Menschen zu erzählen, die behaupten, sie seien französische Adlige, und Fotos von Hans Günter Winkler verschicken. Und in Wirklichkeit sind es irgendwelche Penner, die mit ihren letzten Cent bei Starbucks im Internet surfen und nach einem Opfer für ihre kranken Folterfantasien suchen.
Blieben der Italiener und der Inder. Der Inder schickte ein paar verschwommene Fotos. Und so verschwommen sah er wirklich nett aus. Frau Zeh und der Inder verabredeten ein Treffen in Paris. Nun wurde der Inder übermütig und sendete sich in höherer Auflösung, und Frau Zeh hätte das Treffen sofort abgesagt, wenn sie nur gewusst hätte, wie. »Ich kann ihm doch nicht sagen, dass er potthässlich ist«, sagte sie. »Er war so nett.« »Dann fahr hin«, antworteten wir. »Aber er ist so hässlich.« Frau Zeh traf sich nicht mit ihm.
Die Fotos des Italieners waren etwas ungewöhnlich. Eigentlich war es nur ein Foto, und es zeigte auch nicht den ganzen Italiener. Nun war nicht gerade preisverdächtig, was er da von sich preisgab. Wir schauten lange auf dieses mitleiderregende Stück Italien, und das Urteil fiel schließlich so vernichtend aus, dass er, wäre er dabei gewesen, umgehend zeugungsunfähig geworden wäre. »Was soll das?«, fragte Frau Zeh ihn. »Ich dachte, es würde dir gefallen«, schrieb er zurück. »Meiner Frau gefällt es auch.« Abschuss! Das mit Klein-Italien hätte Frau Zeh ihm noch verzeihen können, aber eine Ehe?
Frau Zeh litt noch ein paar Stunden, dann machte sie den Computer aus. Wir hatten sie wieder. Zur Feier des Tages schauten wir uns »Fear und Loathing in Las Vegas« an, und das Foto des Italieners wurde weitergeschickt. Als Kettenbrief. »Wenn du dieses Bild nicht an mindestens 30 Freunde sendest, wird dein nächster Freund genauso aussehen«, schrieben wir dazu. Und nach dem dritten Glas Prosecco wusste Frau Zeh selbst nicht mehr, warum sie gedacht hatte, ihr Problem ließe sich mit ein paar Mausklicks beheben. »Warum sollten sich im Internet auch weniger Irre herumtreiben als auf der Straße?«
Das Codewort für Berliner Nächte
Der Hollywoodschauspieler war neulich auch schon wieder da. Er musste ein paar Nachtszenen nachdrehen, weil die ersten nichts geworden waren. Natürlich nicht. Wer Berlin kennt, hätte es ihm sagen können: Die Berliner Nacht ist launischer als ein Münchner Türsteher. Sie kennt keine Stammgäste. Los, los, machen Sie den Durchgang frei, dahinten können Sie noch Schawarma essen mit den anderen Losern dieser Nacht, und dann gehen Sie doch bitte gleich weiter ins Bett. Die Nacht hält heute
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