Singularität
sich riesig vor ihnen
wölbte – wie eine in Marmor gehauene Vision in Blau und
Weiß. Und dieses blöde Kind quakte ihr die Ohren voll!
Inzwischen hielt sie sich mit beiden Händen an der Unterseite
der Luke fest und bemühte sich, alles im Griff zu behalten. Als
sie den Kopf hinausgestreckt und gesehen hatte, wer sich an der
Kurzwellenantenne festhielt, hätte sie sich am liebsten wieder
nach innen verzogen und die Düsen gezündet, um den
unwillkommenen Gast abzuschütteln. In einem Anflug blinder Wut
hatte sie so laut mit den Zähnen geknirscht, dass Martin voller
Panik gefragt hatte, ob ihr Raumanzug undicht geworden sei. Aber der
rote Nebel des Zorns hatte sich bald wieder gelichtet. Sie hatte die
Hand ausgestreckt, Wassilys Arm gepackt und es irgendwie geschafft,
ihn in seinem aufgeblasenen Raumanzug durch die Luke ins Innere zu
hieven.
»Ich komm runter«, erklärte sie jetzt. Während
sie mit den Schenkeln die Sitzlehne umklammerte, löste sie den
Haken der Luke, zog sie so weit wie möglich herunter und
versperrte sie. Die Kabine unten war mehr als voll gestopft. Wassily
hatte offenbar keinen Schimmer, wie er sich am besten aus dem Weg
halten sollte, und Martin war damit beschäftigt, sich in die
Beinschalen seines Sitzes zu winden, um Platz zu machen. Rachel
zerrte an der Rettungsleine, ließ sich hinunterfallen, bis sie
auf dem Sitz ihres Sessels stand, griff nach der Luke und zog sie
ganz zu. Dann spürte sie, wie auf allen vier Seiten ein Dutzend
kleiner Schließhaken mit solidem Klicken einrastete.
»Okay. Autopilot: Luke versiegeln und danach Druck in der Kabine
wiederherstellen. Martin, nicht da drüben – das ist die
Toilette, die mach besser nicht auf. Ja, das ist der Schrank, den du
suchst.« Aus den Deckendüsen zischte Luft in die Kabine;
weißer Dunst bildete wirbelnde Nebelbänke, die zum
Hauptfenster hinübertrieben. »Wunderbar. – Und du
hörst jetzt zu: Wir sind hier nicht auf einem Schiff der Marine.
Wenn du die Klappe hältst, nehmen wir dich mit nach unten. Falls
du mir aber weiter erzählst, dass ich verhaftet bin, gehst du
mir möglicherweise so auf den Geist, dass ich dich über
Bord werfe.«
»Ähm…«
Die Augen des jungen Prokurators weiteten sich, als nach und nach
die Luft aus seinem Raumanzug wich. Derweil kramte Martin
stöhnend in einem der Vorratsschränke hinter den Sitzen.
»Hast du das hier gemeint?« Er streckte Rachel eine
zusammengerollte Hängematte hin. Sie wälzte sich in ihrem
Sitz herum, befestigte ein Ende der Matte an der hinteren Wand und
sorgte dafür, dass sich das andere Ende in Martins Richtung
entrollte. Er ließ sich aus der Nische treiben, wobei er gerade
noch verhindern konnte, dass er dem Schiffbrüchigen auf den Kopf
trat, und machte das andere Ende fest.
»Du da, raus aus diesem Anzug und in die Hängematte! Wie
du vielleicht bemerkt hast, haben wir hier nicht viel Platz.«
Als Rachel ihren Helm löste, glitt gleichzeitig der Raumanzug
von ihr ab und trieb weg. Sie schnappte ihn sich und verstaute ihn
hinter ihrem Sitz, unter der Hängematte. »Du kannst deinen
Raumanzug jetzt ablegen.«
Während Martin sich halbwegs aus seinem Anzug schälte
– nur seine Beine und der Unterkörper steckten noch in der
von Sauerstoff entleerten Plastikhülle –, trieb Wassily aus
seiner Nische heraus und kämpfte mit dem schlaffen Helm. Martin
lenkte ihn zur Hängematte und schaffte es, Wassilys Kopf zu
befreien, ehe er erstickte. »Sie sind…« Wassily brach
ab. »Äh… Ich danke Ihnen.«
»Komm bloß nicht auf die Idee, uns entführen zu
wollen«, warnte Rachel ihn grimmig. »Der Autopilot ist auf
meine Stimme geeicht. Und keiner von uns möchte unbedingt das
Risiko eingehen, ein Wiedersehen mit deinen Freunden zu
feiern.«
»Äh…« Wassily holte tief Luft. »Hm, das
heißt also…« Er blickte sich hektisch um.
»Werden wir sterben?«
»Nicht, wenn ich ein Wörtchen mitzureden habe«,
erklärte Rachel mit Nachdruck.
»Aber die feindlichen Schiffe… Die müssen
doch…«
»Das ist das Festival. Hast du irgendeine Vorstellung davon,
was das Festival ist?«, fragte Martin.
»Falls Sie irgendetwas darüber wissen, hätten
Sie’s dem Admiralstab mitteilen sollen. Warum haben Sie denen
nichts gesagt? Warum…«
»Wir haben es denen gesagt, nur haben sie nicht
zugehört«, bemerkte Rachel.
Wassily bemühte sich sichtbar um Verständnis.
Letztendlich war es allerdings leichter, das Thema zu wechseln, als
das Undenkbare zu denken. »Was haben Sie
Weitere Kostenlose Bücher