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Singularität

Singularität

Titel: Singularität Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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Linie
wie der Stundenzeiger einer Uhr rund um den Matsch und verschwand
gleich darauf.
    »Ich dachte, Sie hätten gesagt, Sie hätten was
gefunden.« Kokesova klang leicht verärgert.
    »Äh, ja, Sir. Noch einen Augenblick. Nichts da, wie Sie
sehen. Aber dann hab ich noch mal den Filter für zirkuläre
Umlaufbahnen mit Neigungswinkel darüber laufen lassen.« Am
Rande des Matsches tauchte plötzlich eine grüne Scheibe auf
und neigte sich langsam. Irgendetwas Violettes blitzte nahe am
Mittelpunkt auf und verschwand gleich wieder. »Da ist es.
Wirklich klein. Umlaufbahn ist im Winkel von fast neun-null Grad zur
Ekliptik geneigt. Deshalb haben wir auch so lange gebraucht, es zu
lokalisieren.«
    »Ah.« Kokesova starrte auf den Schirm, während sich
das Wohlgefühl innerer Befriedigung in ihm breit machte.
»Na schön.« Kokesova sah den violetten Punkt lange an,
ehe er zum Handapparat der internen Sprechanlage griff.
»Kommunikation, holen Sie mir den Kapitän an den Apparat.
Ja, ich weiß, dass er an Bord der Lord Vanek ist. Ich
glaube, ich habe da was, über das der Boss gern Bescheid
wüsste…«
     
    Prokurator Wassily Muller blieb vor der Kabinentür stehen und
holte tief Luft. Er klopfte ein-, zweimal an die Tür. Als keine
Antwort kam, versuchte er den Türknopf zu drehen, aber er gab
nicht nach. Wassily atmete tief aus, ließ eine feine Schlinge
aus seinem rechten Ärmel gleiten und führte sie in den
Schlitz des kodierten Schlosses ein. Es war genau wie bei der
Ausbildung in der Schule: Ganz kurz flackerte ein Lämpchen auf,
danach ließ sich der Türknopf mühelos drehen.
Instinktiv spannte er sich innerlich an: Auch das war eine
Nachwirkung der schulischen Konditionierung (die sich auf
Verfolgungs- und Festnahmeaktionen, auf Entführungen bei Nacht
und Nebel konzentriert hatte; und deren Schauplatz war eine ewig
feuchte Stadt aus Stein gewesen, beständig nur darin, dass hier
Angst und Dissidententum umgingen).
    Die Kabine war aufgeräumt, zwar nicht ganz so aufgeräumt
wie die eines Fliegers, die von scharfzüngigen Offizieren
kontrolliert wurde, aber durchaus ordentlich. Als Gewohnheitstier war
ihr Bewohner wie immer um diese Zeit beim Mittagessen und würde
noch mindestens fünfzehn Minuten fort bleiben. Wassily
registrierte alles mit großen Augen. Es gab keine
offensichtlichen Anzeichen für feine Drähte oder Haare, die
am Türrahmen festgemacht waren, also trat er ein und zog die
Tür hinter sich zu.
    Martin Springfield hatte nur wenige Besitztümer auf die Lord Vanek mitgenommen, was daher rührte, dass er erst in
letzter Minute zum Dienst verpflichtet worden war. Aber was er
besaß, reichte fast schon aus, um Wassilys Neid zu wecken. Denn
seine eigene Anwesenheit an Bord war noch weniger geplant gewesen.
Inzwischen hatte er viel Zeit gehabt, bitter zu bedauern, dass er die
vieldeutige Warnung des BÜRGERS falsch aufgefasst hatte.
(»Was hast du vergessen?«, hatte er gesagt. Und das zu
einem Mann, der dabei war, ein Schiff zu durchsuchen, das
demnächst aufbrechen würde!) Trotzdem hatte Wassily eine
Aufgabe zu erledigen und noch so viel Professionalität, es
richtig machen zu wollen. Er brauchte nicht lange, um die
Möglichkeiten durchzugehen: Das einzige Ding, das seine
Aufmerksamkeit weckte, war das lädierte graue Notebook, das als
einziger Gegenstand in der winzigen Schreibtischschublade unterhalb
des Computerarbeitsplatzes lag.
    Vorsichtig drehte er das Gerät um und hielt nach Nahtstellen
und Öffnungen Ausschau. Es erinnerte an ein Buch mit festem
Einband. Mikrokapseln, die in jede Seite eingelassen waren,
wechselten je nach geladener Information die Farbe. Allerdings gab es
ja kein Buch, das auf die Stimme seines Herrn antworten oder den
Antriebskern eines Schiffes manipulieren konnte.
    Der Buchrücken! Er zog daran, und nach kurzem Widerstand
glitt er auf und enthüllte ein Fach mit einigen Vertiefungen. In
einer davon befand sich etwas.
    Eine Zusatzausrüstung, wurde ihm klar. Ohne nachzudenken, zog
er daran: Sie rastete aus, und er steckte sie ein. Es würde
genügend Zeit bleiben, sie später wieder einzufügen,
falls sie harmlos war. Springfields Anwesenheit an Bord reizte seine
Nerven so, dass es schon wehtat: Der Mann musste irgendetwas im
Schilde führen! Die Marine hatte jede Menge guter Ingenieure,
warum also hatten sie einen Ausländer dabeihaben wollen? Nach
den Ereignissen der letzten Wochen konnte Wassily nicht hinnehmen,
dass etwas anderes als Sabotage im Spiel sein sollte.

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