Singularität
ausgeklügelten Suchmuster folgte.
Martin schlief nicht. Sein ganzes Inventar von Drohnen zur
Spionageabwehr war unterwegs auf Patrouille, um das Zimmer nach
Wanzen abzusuchen. Immerhin war es ja möglich, dass das
Büro des Kurators ihn überwachte. Nicht dass er sonderlich
viele Drohnen zur Verfügung gehabt hätte: In der Neuen
Republik waren sie strengstens verboten, sodass er gezwungen gewesen
war, sie sich in die Talgdrüsen und Zahnhöhlen zu stopfen,
um sie durch den Zoll zu schmuggeln. Jetzt waren sie aktiviert und
unterwegs, um nach Abhörgeräten zu jagen und die Ergebnisse
den Monitoren zu melden, die im Gewebe seiner Augenlider implantiert
waren.
Als er schließlich überzeugt war, dass sich außer
ihm selbst nichts und niemand im Zimmer befand, rief er die Fliege
zurück, deren SQUID-Sensoren mittlerweile ausgeschaltet waren,
und versetzte die Flöhe wieder in den Winterschlaf. Danach stand
er auf, schloss die Fensterläden und zog die Gardinen zu. Falls
das Büro des Kurators nicht gerade ein uraltes mechanisches
Aufzeichnungsgerät hinter der Garderobe versteckt hatte, sah er
jedenfalls keine Möglichkeit, wie sie ihn abhören
konnten.
Er griff in die Brusttasche seines Jacketts (das inzwischen
zerknüllt war, da er darauf gelegen hatte) und zog ein
dünnes, in Leder gebundenes Buch hervor. »Rede mit
mir.«
»Hallo, Martin. Betriebsbereit, hundert Prozent
abhörsicher.«
»Das ist gut.« Er räusperte sich.
»Sicherheitskanal. Starten. Ich möchte mit Hermann
sprechen.«
»Kanal wird gesucht.«
Während das Buch verstummte, wartete Martin gelassen ab. Es
sah wie ein persönliches elektronisches Notebook aus, die
diskrete digitale Sekretärin eines modernen Unternehmensberaters
auf der Erde. Zwar ließen sich solche Geräte in jeden
üblichen Gebrauchsgegenstand einbauen – auch in die
Kleidung, selbst in einen implantierten Zahn –, aber Martin
bevorzugte die Form eines altmodischen gebundenen Buches. Allerdings
waren normale elektronische Notebooks nicht mit einem
zusätzlichen Kausalkanal ausgestattet, schon gar nicht mit einem
von neunzig Lichtjahren Reichweite und einer Bandbreite von fünf
Peta-Bits. Zwar waren zwei Peta-Bits bereits verbraucht worden, als
der zuständige Agent ihm das Gerät über einen toten
Briefkasten an einer Parkbank vermittelt hatte, dennoch war es
für Martin ungeheuer wertvoll, so wertvoll sogar, dass er sein
eigenes Leben dafür aufs Spiel setzte – falls die
Geheimpolizei ihn damit erwischte.
Ein Frachtschiff, das nicht einmal Lichtgeschwindigkeit erreichte,
hatte fast hundert Jahre dazu gebraucht, die quantenmechanische Black
Box, die das Herzstück des Kausalkanals bildete, aus dem
Septagon-System hinaus zu befördern; ihr Zwilling hatte achtzig
Jahre im Frachtraum eines Schwesterschiffs verbracht, das unterwegs
zur Erde war. Jetzt sorgten sie für die unverzügliche
Übertragung von einem Planeten zum anderen –
unverzüglich im Sinne der speziellen Relativitätstheorie,
ohne dass die raumzeitliche Kausalität dabei verletzt werden
konnte; die Gesamtkapazität war auf die Menge der Quanten-Bits
beschränkt, mit der sie ursprünglich ausgestattet worden
waren. Wenn jene fünf Milliarden Mega-Bits erst einmal
aufgebraucht waren, würden sie für immer nutzlos sein
– oder nutzlos, bis das nächste Frachtschiff mit
Unterlichtgeschwindigkeit eintraf.
(Nicht dass solche Schiffe Seltenheitswert hatten: Ein Starwisp zu
bauen und in die Umlaufbahn zu bringen, das nur ein Kilogramm wog und
die Mordslast von hundert Gramm über ein Dutzend Lichtjahre
hinweg befördern konnte, lag nicht weit über dem
technologischen Niveau der Baumwollindustrie; aber die Kräfte,
die in der Neuen Republik das Sagen hatten, waren
bekanntermaßen überaus empfindlich, was den Kontakt mit
dem ideologisch verdorbenen Rest des Universums betraf.)
»Hallo?«, sagte das Notebook.
»Ist Hermann dran?«, fragte Martin.
»Hier Notebook. Hermann ist dran, alle
Authentizitätsprüfungen sind abgeschlossen.«
»Ich bin heute von einem BÜRGER des Kuratorenbüros
verhört worden«, sagte Martin. »Die sind hier
außerordentlich auf der Hut vor Unterwanderungen.«
Zweiundzwanzig Wörter in fünf Sekunden: Übertragen mit
Hi-Fi-Qualität, machte das etwa eine halbe Million Bits. In Text
transkribiert, ergab es rund hundert Bytes, vielleicht auch nur
fünfzig Bytes bei vollständiger Komprimierung. Was
bedeutete, dass jetzt fünfzig Bytes weniger in der Verbindung
zwischen Martins Notebook
Weitere Kostenlose Bücher