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Singularität

Singularität

Titel: Singularität Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Charles Stross
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und der Erde zur Verfügung standen.
Aber wenn Martin zum Postamt ging, würden sie ihm einen Dollar
pro Wort abknöpfen, und er würde einen ganzen Tag lang
Schlange stehen müssen, außerdem würde mit Sicherheit
ein Postinspektor mithören.
    »Was ist passiert?«, fragte Hermann.
    »Nichts Wichtiges, aber man hat mich verwarnt, mit allem
Nachdruck. Ich werd’s in meinen Bericht aufnehmen. Meine
Herkunft haben sie nicht in Zweifel gezogen.«
    »Irgendwelche Rückfragen wegen deiner Arbeit?«
    »Nein, da besteht kein Verdacht, soweit ich es beurteilen
kann.«
    »Warum haben sie dich verhört?«
    »Spione in der Bar. Sie wollen mich einschüchtern. Bin
noch immer nicht an Bord der Lord Vanek gewesen. Der Zugang
zur Marinewerft wird strengstens überwacht. Ich glaube, sie sind
wegen irgendetwas sehr beunruhigt.«
    »Gibt es Anzeichen für ungewöhnliche Ereignisse?
Flottenbewegungen? Vorbereitungen zum Aufbruch?«
    »Nicht dass ich wüsste.« Martin enthielt sich
weiterer Bemerkungen: Es machte ihn stets nervös, wenn er mit
Hermann über den verbotenen Sender kommunizierte. »Ich
halte die Augen offen. Ende des Berichts.«
    »Und tschüss.«
    »Notebook: Verbindung beenden.«
    »Beendet.« Wie Martin jetzt deutlich zu Bewusstsein kam,
hatte er das ganze Gespräch hindurch nur seine eigene Stimme
vernommen. Das Notebook benutzte die Stimme seines Besitzers, um
einen perfekten Empfang zu gewährleisten. Und die Verbindung
über den Kausalkanal war sowieso so teuer, dass es eine
blödsinnige Verschwendung gewesen wäre, in Realton zu
senden. Das Selbstgespräch über einen Abgrund von siebzig
Lichtjahren hinweg hinterließ bei Martin ein Gefühl
großer Einsamkeit. Besonders, wenn er den sehr realen
Hintergrund seiner Ängste bedachte.
    Bis jetzt hatte er erfolgreich den einfältigen
ausländischen Ingenieur mit Werkvertrag und losem Mundwerk
gemimt, der hier eigentlich nur seinen vierzehntägigen Auftrag
ausführen und die Maschinen an Bord des kaiserlichen
Schlachtkreuzers Lord Vanek auf Vordermann bringen sollte, was
sich jedoch wieder und wieder verzögert hatte. Und er hatte
seine Rolle sogar so gut gespielt, dass er das Innere des Basilisken
hatte sehen dürfen und mit dem Leben davongekommen war. Aber das
würde wohl kaum ein zweites Mal passieren, falls sie
herausfanden, für wen er in Wirklichkeit arbeitete.
     
    »Halten Sie ihn für einen Spion?«, fragte Wassily
Muller, angehender Prokurator.
    »Nein, soweit ich es beurteilen kann.« Der BÜRGER
bedachte seinen Gehilfen mit einem dünnen Lächeln, wobei
sich die schwache Narbe über seinem linken Auge vor teuflischer
Belustigung verzog. »Wenn ich irgendeinen Beweis dafür
hätte, dass er ein Spion ist, würde er sich sehr schnell in
einen Ex-Spion verwandeln. Und auch in jeder anderen Hinsicht zum Ex
werden. Aber danach habe ich dich gar nicht gefragt, nicht
wahr?« Er fixierte seinen Untergebenen mit jenem Ausdruck, den
er speziell für den Umgang mit begriffsstutzigen Auszubildenden
entwickelt hatte. »Sag mir, warum ich ihn gehen
ließ.«
    »Weil…« Der Prokurator in spe wirkte verwirrt.
Inzwischen war er sechs Monate hier, noch nicht einmal ein Jahr aus
dem Gymnasium und der Obhut seiner Lehrer entlassen – und das
war ihm anzumerken. Er war immer noch ein blondköpfiger,
blauäugiger Junge und, was gesellschaftlichen Schliff anbetraf,
so linkisch, dass es fast schon wehtat. Wie so viele intelligente
Menschen, die das elitäre Internatssystem überlebten,
neigte er zudem zu geistiger Starre. Insgeheim hielt der BÜRGER
das für eine schlechte Eigenschaft, zumindest bei einem
Angehörigen der Geheimpolizei. Wenn der Junge je viel nutzen
sollte, musste man diese unflexible Haltung erst einmal brechen.
Andererseits schien er die Intelligenz seines Vaters geerbt zu haben.
Falls auch dessen Flexibilität in ihm steckte – ohne den
unglückseligen Hang zur Aufmüpfigkeit –, würde er
einmal einen ausgezeichneten Geheimdienstler abgeben.
    Nachdem das Schweigen sich eine Minute lang hingezogen hatte,
hakte der BÜRGER nach: »Das ist keine befriedigende
Antwort, junger Mann. Versuch’s noch einmal.«
    »Äh, Sie haben ihn gehen lassen, weil er ein loses
Mundwerk hat. Und wenn man ihn ziehen lässt, kann man leichter
überprüfen, wer auf ihn hört, oder?«
    »Besser, aber nicht die ganze Wahrheit. Mich interessiert,
was du vorher gesagt hast. Warum denkst du, er sei kein
Spion?«
    Wassily stutzte. Es tat fast weh, mit anzusehen, wie er versuchte,
mit

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