Sinnliche Naechte in Paris
Greif zu. Du musst hungrig sein. Gestern Abend hast du nicht besonders viel gegessen.“
Khalil schaute auf. Der Sultan blickte ihn unschuldig an. Dabei schwang seinem Kommentar durchaus eine doppelte Bedeutung mit. Es war eine leichte Rüge, weil Khalil nicht bis zum Ende des Dinners geblieben war.
„Hat dir das Essen nicht geschmeckt?“
Auch Khalil beherrschte dieses Spiel. „Es war köstlich, Vater, aber ich war sehr müde von meiner Reise.“
Mit anderen Worten: Er hatte kurzfristig eine große Entfernung zurückgelegt und wusste immer noch nicht, warum.
Vater und Sohn lächelten sich an. Als Khalil noch klein war, hatten sie nicht viel Zeit miteinander verbracht – es entsprach nicht der üblichen Sitte – doch als Khalil erwachsen wurde, kamen sie sich näher.
„Und wie war deine Reise, mein Sohn?“
„Sehr gut. Wir hatten den ganzen Weg über einen klaren Himmel.“
„Und dein neues Flugzeug?“
„Auch das ist sehr gut, Vater“, entgegnete Khalil und bemühte sich, nicht ungeduldig zu klingen.
„Aber noch besser wäre es“, bemerkte der Sultan und hob seine buschigen weißen Augenbrauen, „herauszufinden, warum ich dich hierher gerufen habe.“
Also Schluss mit der Wortklauberei. „Ja“, bestätigte Khalil offen, „das wäre noch besser.“
Zwei Diener standen wartend an einem Rollwagen, der mit silbernen Speiseglocken beladen war. Ein dritter Diener hielt Kaffee und Tee bereit. Der Sultan tupfte sich die Lippen ab, warf die Serviette auf den Tisch und erhob sich.
„Begleite mich, Khalil. Ich möchte dir zeigen, wie schön meine Rosen zu dieser Jahreszeit sind.“
Was sollte das? Hatte sein Vater Angst, dass man sie belauschte? Khalil schob den Stuhl zurück und trat an die Seite des Sultans.
Als sie tief in den prächtigen Palastgarten eingedrungen waren, umgeben von Blumen, Büschen und Bäumen und weit genug entfernt, als dass irgendjemand ihr Gespräch mitanhören könnte, nahm der Sultan auf einer schmiedeeisernen Bank Platz. Khalil setzte sich ihm gegenüber und wartete.
„Du warst nicht glücklich darüber, dass ich dich hierher gebeten habe“, bemerkte der Sultan.
„Ich befand mich mitten in wichtigen Verhandlungen.“
Sein Vater nickte. „Dennoch bist du gekommen.“
„Du bist mein Vater und der Führer unseres Volkes.“
Wieder nickte der Sultan. „Und du bist mein Erbe, Khalil. Es ist deine Pflicht, das zu tun, was das Beste für dein Land ist.“ Worauf wollte er hinaus? Khalil verschränkte die Arme. „Das versteht sich von selbst, Vater.“ Für ein paar Sekunden herrschte Schweigen. Dann legte der Sultan die Hände auf die Oberschenkel und beugte sich vor.
„Gestern Abend, am Strand, da hast du eine Frau getroffen.“
Blieb denn nichts in seinem Leben unbemerkt? Das war etwas, was Khalil schon immer gehasst hatte. Alles, was er tat, wurde mit Argusaugen überwacht.
„Und?“
„Ihr Name ist Layla.“
Layla. Ein weicher, sehr weiblicher Name. Er passte zu ihr. Zu ihrem verführerischen Körper, ihrem schönen Gesicht … allerdings stand er in direktem Gegensatz zu ihrem ungezügelten Temperament.
„Khalil?“
Er räusperte sich. „Entschuldige, ich war … Was ist mit der Frau?“
„Sie wird bald heiraten.“
„Das haben mir ihre Leute erzählt.“
„Es handelt sich um eine wichtige Verbindung. Ihr Vater ist Scheich Omar al Assad.“
„Bist du sicher? Ihre Leute sagten …“
„Ich bin mir absolut sicher, Khalil. Ihr Bräutigam ist Butrus al Ali.“
Khalil blinzelte überrascht. „Der Abtrünnige?“
„Nicht mehr, nachdem diese Heirat stattgefunden hat. Butrus wird mir seine Treue schwören, genauso wie Omar, als Dank für die Vermittlung dieser Ehe. Ein alter und gefährlicher Riss wird auf diese Weise gekittet, und unser Volk im Norden wird endlich Frieden finden.“
Khalil nickte. Ein Hochzeitsarrangement, das aus Staatsgründen geschlossen wurde. Ein alter Brauch, der nicht nur hier, sondern in vielen Teilen der Welt immer noch üblich war. Auch wenn er wusste, dass westlich orientierte Menschen verächtlich schnauben würden, wenn sie erfuhren, dass es so etwas immer noch gab. In Al Ankhara heirateten die Söhne und Töchter von reichen und mächtigen Familien oftmals, um Bündnisse zu knüpfen und Dynastien zu gründen.
Aber die Frau vom Strand als Braut von Butrus? Vor Jahren hatte er den Mann einmal getroffen. Konnte er sich noch daran erinnern, wie er aussah? Sein Kiefer verkrampfte sich. Oh ja, und ob er sich
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