Sinnliches Spiel auf Antigua
ihren Ruf als Partygirl mit großem Männerverschleiß. Aber er wusste auch, wie hemmungslos die Medien übertrieben. „Apropos Essen, haben Sie Hunger? Irgendetwas habe ich sicher hier. Aber ich kann auch in der Küche anrufen und uns etwas kochen lassen.“
„Nein, danke, ich möchte nichts.“ Langsam ging sie in dem Raum hin und her, nahm hier ein Buch in die Hand, dort eine kleine Figurine, die auf dem Sideboard stand. Schließlich hob sie ein gerahmtes Foto hoch. „Wer ist das?“
Unwillkürlich musste Jacob lächeln, weil das sein Lieblingsfoto war. „Das sind meine Brüder und ich. Dad hatte uns erlaubt, eine Floßfahrt auf dem Colorado zu machen. Ich glaube, das war unsere einzige richtige Ferienreise.“
„Wieso? Ist er so geizig?“
„Nein, das hatte nichts mit Geld zu tun. Unsere Mutter und unsere Tante sind entführt und ermordet worden, als wir Kinder noch ziemlich klein waren. Mein Vater wurde daraufhin übervorsichtig, weil er Angst hatte, wir könnten die nächsten Opfer sein.“
„Wie schrecklich“, sagte sie leise und sah ihn traurig an. „Ich habe einiges über diese Sache gehört, aber wenn Sie als Betroffener es mir erzählen …“ Sie fuhr schaudernd zusammen.
Jacob zuckte nur kurz mit den Schultern. „Ist schon lange her. Wie alt sind Sie?“
„Zweiundzwanzig.“
Himmel! Dann war sie noch nicht einmal geboren, als die Wolffs die Familientragödie erlebten … Er runzelte die Stirn.
Daraufhin blickte sie ihn leicht irritiert an. „Ich habe Ihnen doch alles in einer langen E-Mail mitgeteilt. Haben Sie die nicht bekommen?“
„Doch, doch, entschuldigen Sie. Ich habe Sie nur nicht so schnell erwartet und deshalb die Mail noch nicht gelesen. Aber ich kann jetzt schon sagen, dass Sie und ich einiges gemeinsam haben. Seit meine Mutter und meine Tante ermordet wurden, haben die Medien uns verfolgt. Und da die Mörder nie gefasst wurden, wird unsere Geschichte ständig neu aufgewärmt.“
„Das tut mir leid.“ Plötzlich war ihr Ton sehr formell. „Ich hätte wohl warten sollen, bis ich von Ihnen wegen eines Termins höre. Aber ich habe nicht viel Zeit.“
Sein Magen krampfte sich zusammen. „Gibt es schon eine Diagnose?“
Sie nickte und nahm ihre Wanderung durch den Raum wieder auf. Aus zusammengekniffenen Augen musterte Jacob sie genauer. Waren schon Anzeichen einer tödlichen Krankheit zu entdecken? Nein. Obgleich sie gut und gern zwanzig Pfund zunehmen könnte, wirkte sie gesund.
„Und die wäre?“, hakte er nach. „Haben Sie irgendwelche Suchtprobleme?“
Wie erstarrt hielt sie in der Bewegung inne, drehte sich dann zu ihm um, kam auf ihn zu, ohne ihn aus den Augen zu lassen, und ließ sich auf den Besucherstuhl fallen. Leise stöhnte sie auf. „Sind Sie immer so direkt?“
Wie schön sie war! Wie die junge Ingrid Bergmann … Doch er nahm sich zusammen. „Das muss ich sein. Wie soll ich Ihnen helfen, wenn ich nicht die Wahrheit kenne?“
Sie nickte und legte die schmalen Hände übereinander. Erstaunt stellte er fest, dass sie bis auf die kleinen blitzenden Ohrstecker keinerlei Schmuck trug. Als sie den Kopf senkte, hatte er den Eindruck, sie wolle seinem Blick ausweichen. „Man hat mir gesagt“, fing sie leise an, „dass Sie nur Patienten annehmen, für die Diskretion absolut wichtig ist.“
„Ja.“
„Dann werden Sie verstehen, warum ich zu Ihnen gekommen bin.“
„Ja, was den Wunsch nach Diskretion betrifft. Aber ich weiß immer noch nicht, was Ihnen fehlt.“
Ruhelos stand sie auf. „Warum sind Sie Arzt geworden?“, wich sie ihm aus.
Frustriert strich er sich das dunkle Haar zurück. „Als meine Mutter ermordet wurde, habe ich meinen Vater immer wieder gefragt, warum die Ärzte ihr nicht hatten helfen können. Wahrscheinlich stammt mein Wunsch, Arzt zu werden, aus dieser Zeit. Aber mein eigentliches Interesse ist die Leukämie-Forschung.“
„Warum Leukämie?“
„Einer meiner Kindheitsfreunde starb an Leukämie. Er war der Sohn unseres Stallmeisters, und obgleich mein Vater und mein Onkel keine finanziellen Ausgaben scheuten, starb Eddie mit acht. Deshalb habe ich mich auf Leukämie spezialisiert.“
„Bewundernswert.“
„Ich liebe meine Arbeit. Aber sie ist nicht besonders glamourös.“ Er grinste. „Zumindest war sie es bis heute nicht. Bis zum Besuch eines weltberühmten Filmstars.“
Sie lächelte flüchtig. „Danke. Aber ich bin ein maßlos verwöhntes Biest, das die Männer nur so vernascht. Wussten Sie das noch
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