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Sintflut (German Edition)

Sintflut (German Edition)

Titel: Sintflut (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Gina Schulze
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die zweite Kammer denke ich besser nicht nach. Ich hasse sie. Denn was das angeht, bin eindeutig ich der Gefoppte. Dabei war ich so nah dran. Hätte ich statt der ersten die zweite Kammer gefunden, wären alle zufrieden gewesen. Paula und Pluton hätten die Sintflut-Figuren gehabt und ich das Weltarchiv. Die Rumänen wussten ja von der zweiten Kammer kaum etwas und wären vermutlich nie darauf gekommen, dass das Archiv aus ihrem Berg stammt. Ich hätte nur nach links gehen müssen, als der Gang sich teilte, und alles wäre gut gewesen. Als Marlene mir davon erzählte, wurde mir schlecht vor Wut.
    Trotzdem geht es mir gut. Die ganze Verbissenheit der letzten Jahrzehnte: alles ist von mir abgefallen. Welche Erleichterung. Ich bin weder bitter noch mutlos. Wenn, dann ärgere ich mich höchstens noch über Paula. Nicht, weil sie mir in die Quere kam, das sehe ich sportlich. Ich ärgere mich, weil sie sich genauso arrogant verhalten hat wie die Archäologen früherer Tage oder wie Schliemann, für den sie nur Verachtung übrig hat. Stundenlang konnte sie über ihn herziehen, weil er alles, was er fand, abtransportierte und nach Deutschland brachte. Aber sie hat es nicht anders gemacht. Sie steht auf einer Stufe mit Schliemann, ob sie nun will oder nicht.
    Dass Paula die Vereinten Nationen eingeschaltet hat, spricht zwar für sie, ändert aber nichts am Kern der Sache. Hat sie mit einem einzigen Rumänen außerhalb Plutons gesprochen? Was weiß sie wirklich über die Korruption im Land? Was weiß sie wirklich über die Behörden und Institutionen? So gut wie nichts. Sie ist einfach davon ausgegangen, dass das alles böse Buben sind. Vielleicht stimmt es, aber vielleicht stimmt es auch nicht. Sie hat einen Präventivschlag geführt, daran gibt es nichts zu rütteln. Natürlich würde sie meine Kritik weit von sich weisen und der Erfolg gibt ihr ja auch recht, aber wenn sie mal eine ruhige Minute hat, wird sie sich eingestehen müssen, was sie da eigentlich gemacht hat.
    Zurzeit ist das Weltarchiv in New York, dann kommt es nach Tokio. Auch London, Sydney und Rio stehen auf dem Programm. Später geht es zurück in die Heimat, in das neue Museum, dessen Bau über das Weltkulturerbe-Programm finanziert wird. Dort werden dann auch die Keramiken und Goldfiguren aus der ersten Kammer zu sehen sein, die Marlene so freundlich war, zurückzugeben. Das Museum entsteht an dem Berg hinter Pluton, in Nähe des alten Zugangs. Gleich neben dem neuen Hotel, das Gäste aus aller Welt anlocken wird. Und in Pluton wird es nie mehr so sein, wie es war.
    Die rumänische Regierung hat zunächst gegen die Entführung des Weltarchivs protestiert, gab dann aber ziemlich schnell Ruhe. Bald schon zeichnete sich ab, wie günstig sich die Heimkehr des Archivs auf die Staatsfinanzen auswirken wird und wie sehr gerade Paula mit ihrer Tournee dazu beigetragen hat. Das Weltarchiv ist Pop, Paula ist Pop, Akan ist Pop. Jeder Versuch, sie zu kritisieren oder ihnen den Prozess zu machen, würde auf den Ankläger zurückfallen.
    Das Weltarchiv ist eine Jahrhundertsensation. Paula und Akan sind auf den Titelseiten der großen Magazine. Es vergeht kein Tag, an dem nicht irgendjemand behauptet, er hätte es ja schon immer gewusst und in den Chor derjenigen einstimmt, die jetzt die Geschichte umschreiben wollen. »Steinzeit war primitiv« hieß es früher, »Steinzeit war rational« heißt es jetzt.
    Wann kommen wir endlich von den Pauschalurteilen weg? Das Primitive ist doch überall lebendig, Rationalität immer noch die Ausnahme. Ein Blick in die Abendnachrichten genügt, aber auch die kritiklose Bewunderung, die Paula entgegen schlägt: Primitiver geht es doch gar nicht. Da gefällt sie sich in der Pose derjenigen, die endlich die Mauern in den Köpfen einreißt, aber die nächste Mauer, die fallen muss, ist die, die sie gerade selbst errichtet.
    Vielleicht bin ich auch nur neidisch. Schließlich wollte ich haben, was sie jetzt hat. Doch dann stürzte ich ab. Mein Leben schien vorbei, aber ich hatte Glück. Da-rüber bin ich so froh, dass für andere Regungen kaum Platz ist, von kurzen Wutanfällen mal abgesehen. Wenn man zwei Tage schwer verletzt da liegt und mit dem Tod kämpft, in letzter Minute gerettet wird und wochenlang hilflos im Krankenhaus liegt, ist alles unwichtig, nur das Leben selbst ist es nicht.
    Ich will einfach nur meine Ruhe haben, aber Marlene lässt mich nicht. Sie liest die Biografie von Schliemann und ergötzt sich daran, wie Sophie und

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