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Sintflut

Sintflut

Titel: Sintflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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Schluchzen der Frauen, mit den Klagen der Unglücklichen, dem Flehen der Kranken und Krüppel.
    Kmicic schien es, als wenn seine Seele entschwebe hinein in eine Unendlichkeit, die er weder umfassen noch begreifen konnte, und in der alles Irdische verschwand. Was waren seine Zweifel angesichts dieses Glaubens, was galt sein Gram angesichts solchen Trostes, was die Macht der Schweden angesichts dieses Schutzes?
    All sein Denken hörte hier auf; er begann nur zu fühlen. Er vergaß alles, wer er war, und wo er war. Sein Körper schien tot zu sein, und seine Seele war mit den Tönen der Orgel ins Unendliche geflogen und verschmolz mit dem Dunst des Weihrauchs. Die Hände, die ans Schwert und Blutvergießen gewöhnt waren, streckten sich unwillkürlich gen Himmel.
    Inzwischen war die Messe zu Ende. Pan Andreas wußte selbst nicht, wie es zugegangen war; er befand sich mit einem Male im Hauptschiffe der Kirche. Ein Geistlicher predigte dort, Kmicic aber hörte lange nichts, verstand nichts. Er war wie jemand, der aus Träumen erwacht und nicht weiß, wo der Traum aufhört und die Wirklichkeit beginnt.
    Die ersten Worte, die ihm zum Bewußtsein kamen, waren: »Hier reinigt sich die menschliche Seele von allen Schlacken. Und ebensowenig wie die im Finstern Irrenden das ewige Licht der Wahrheit auslöschen können, ebensowenig kann der Schwede diese Macht besiegen.«
    »Amen,« sagte Kmicic im Geiste und begann, sich reuig an die Brust zu schlagen. Hatte er sich nicht vorher schwer versündigt, als er glaubte, daß alles schon verloren und keine Hoffnung mehr sei?
    Nach der Predigt hielt Pan Andreas den ersten ihn begegnenden Mönch an und bat ihn, ihn zum Prior zu führen.
    Der Prior empfing ihn sogleich. Er war ein Mann in reiferen Jahren, aus dessen ruhigem, bleichem Gesicht, das von einem schwarzen Barte umrahmt war, sanfte, aber klarblickende Augen sahen. In seinem langen, weißen Gewande ähnelte er einem Heiligen. Kmicic küßte ihm ehrfurchtsvoll den Ärmel, und er faßte Kmicic' Kopf mit beiden Händen und fragte: »Wer bist du, und warum bist du hergekommen?«
    »Ich komme aus Smudien,« antwortete Pan Andreas, »um mich der heiligen Jungfrau, dem unglücklichen Vaterlande und dem von allen verlassenen Könige zu weihen. Ich habe ihnen allen gegenüber viel gesündigt, und meine reuige Seele dürstet danach, alle diese Sünden abzubüßen, bald, möglichst bald, morgen, heute schon. Meine ganze Seele erstirbt vor Kummer. – Ehrwürdiger Vater, meinen richtigen Namen werde ich Euch in der Beichte nennen; denn es gibt böse Menschen, die mich sonst an meiner Besserung hindern könnten. Vor den Leuten nenne ich mich »Babinicz«, so heißt nämlich eins meiner Güter. – Jetzt aber will ich Euch eine wichtige Nachricht bringen, die das ganze Kloster betrifft. – Hört mich geduldig an!«
    »Sprecht, ich höre,« entgegnete der Prior.
    »Eine weite Reise liegt hinter mir. Ich habe viel Trauriges gesehen und viel Gram dabei empfunden. – Der Feind hat allenthalben die Oberhand gewonnen, die Ketzer erheben ihre Köpfe. – Aber das ist noch nicht alles! – Die Katholiken selbst gehen in das Lager des Feindes über, der jetzt, nach der siegreichen Einnahme zweier Städte, es wagt, seine ruchlose Hand nach Jasna-Gora zu strecken!« »Woher wißt Ihr das?« fragte der Prior Kordecki.
    »Gestern übernachtete ich in Kruszyn. Dort traf ich Weyhard Wrzeszczowicz und den kaiserlichen Abgesandten Lisola, der vom Kurfürsten von Brandenburg kam und zum schwedischen Könige wollte.«
    »Der schwedische König ist nicht mehr in Krakau,« antwortete der Geistliche, indem er Pan Andreas scharf in die Augen blickte. Aber Kmicic senkte die Augen nicht und fuhr fort:
    »Ich weiß nicht, ob er da ist oder nicht. Ich weiß das eine, Lisola fuhr zu ihm, und den Wrzeszczowicz hatte man ihm entgegengeschickt. Die beiden unterhielten sich in der Gaststube deutsch, ohne zu wissen, daß ich sie verstand. Und da hörte ich, daß Weyhard den Befehl erhalten habe, das Kloster zu besetzen und seine Schätze zu konfiszieren.«
    »Gottes Wille geschehe!« entgegnete der Prior.
    Kmicic erschrak. Er fürchtete, Kordecki nähme den Befehl des schwedischen Königs als Gottes Wille an und denke an keinen Widerstand.
    »Ich habe in Pultusk eine katholische Kirche in den Händen der Schweden gesehen,« begann Pan Andreas unentschlossen, »dort haben die Soldaten Karten gespielt und mit lüderlichen Frauenzimmern Unzucht getrieben.«
    Der Geistliche

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