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Sintflut

Sintflut

Titel: Sintflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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Zorn geopfert hat, selbst wenn es auch in gerechtem Zorn geschah. Ich sagte Ihnen schon vorher, wir zweifeln nicht an Ihrer Person, nur an Ihrer Nachricht. Könnten Sie sich nicht geirrt, nicht irgend etwas falsch gedeutet haben? – Und selbst, wenn nicht, wie können wir die Wallfahrer vertreiben und die Tore geschlossen halten?«
    »Sie müssen unbedingt geschlossen werden! Gott des Allmächtigen wegen selbst müssen sie geschlossen werden!« rief Kmicic aus.
    »Wir wollen genau acht geben auf alles, was in der Umgegend geschieht und die Mauern gut ausbessern lassen,« sagte Pan Zamoyski. »Am Tage können wir die Wallfahrer ja hineinlassen, aber vorsichtig müssen wir sein. Wir sehen ja, wie Wittemberg Krakau mit eisernen Händen hält, und wie er die Geistlichen ebenso bedrückt wie die Weltlichen.«
    »Zwar glaube ich nicht an die Gefahr eines Überfalles, aber dennoch habe ich nichts gegen Vorsichtsmaßregeln einzuwenden,« sprach Pan Czarniecki.
    »Und ich werde einen Boten zu Wrzeszczowicz schicken und ihn fragen lassen, ob königliche Schutzbriefe für ihn nichts zu bedeuten hätten,« fiel Kordecki ein. »Sie aber, Pan Kavalier,« wandte er sich an Kmicic, »möge Gott für Ihre Absicht belohnen. Wenn Ihre Nachricht richtig ist, so haben Sie dem Vaterlande und der Mutter Gottes einen großen Dienst erwiesen. Sie dürfen sich nicht wundern, daß wir Ihnen zuerst mißtrauten. – Man hat uns schon mehr als einmal unnötig in Schrecken versetzt. Der eine aus Feindschaft, der andere des Lohnes wegen und der dritte aus Irrtum. – Doch jetzt ist es Zeit zur Abendmesse. Gehen wir, und flehen wir die heilige Jungfrau um Barmherzigkeit an, wir wollen uns ihrem Dienste ungeteilt weihen!«
    Nach dem Abendgottesdienst beichtete Pan Andreas in der leeren Kapelle dem Prior Kordecki lange. Bis Mitternacht lag er reumütig auf der Erde ausgestreckt wie ein Kreuz. Dann ging er zu Soroka und befahl ihm, seine Schultern und seinen Rücken zu geißeln, bis sie vom Blute überströmt waren.

12. Kapitel.
    Am anderen Tage herrschte im Kloster vom frühen Morgen an ein besonderes Treiben. Obwohl die Tore geöffnet waren, die Wallfahrer ungehindert kommen und gehen durften, und der Gottesdienst in der üblichen Weise abgehalten wurde, begann man doch mit den Vorbereitungen zur Verteidigung. Nach der Mittagsmesse erhielten alle Fremden die Weisung, das Kloster zu verlassen. Der Prior besichtigte selbst in Begleitung des Sieradzker Miecznick und Pan Piotr Czarnieckis die äußeren und inneren Befestigungen. Manches erwies sich als unzureichend und mußte ausgebessert werden. Die Schmiede in der Stadt erhielten den Befehl, möglichst viele Spieße, schwere Keulen und Sensen anzufertigen. In der Stadt verbreitete sich sehr schnell das Gerücht von einer baldigen Belagerung.
    Gegen Abend waren schon zweihundert Menschen damit beschäftigt, die Mauern auszubessern, und zwölf schwere Kanonen waren auf neuen Lafetten aufgestellt worden. Mönche und Novizen holten aus dem Waffenlager des Klosters Kanonenkugeln und legten sie vor die Kanonen. Kisten mit Pulver wurden herangeschleppt und Musketen verteilt. Die Wachen auf den Türmen waren aufgezogen, und man sandte nach allen Richtungen Kundschafter aus.
    Das Gerücht von der Belagerung wirkte in der ganzen Umgegend wie ein heftiger Donnerschlag. Städter und Bauern sammelten sich in Haufen und beratschlagten miteinander. Keiner wollte so recht glauben, daß der Feind sich an Jasna-Gora vergreifen könnte.
    Man vermutete, daß nur die Stadt selbst besetzt werden sollte, aber schon dies regte die Gemüter aufs tiefste auf. Um so mehr, da die Schweden doch Ketzer waren, die nichts davon zurückhalten konnte, die heilige Jungfrau mit Vorsatz zu beleidigen.
    Die Einwohner, obwohl sie noch an einer Belagerung zweifelten, waren zumeist fassungslos. Die einen rangen die Hände und waren auf Zeichen im Himmel und auf Erden gefaßt, auf sichtliche Zeichen des Zornes Gottes; die anderen versanken in stumme Verzweiflung, und andere wiederum entbrannten in wildem Zorn. Und dann begann die zügellose Phantasie ihre Flügel zu entfalten und Erzählungen kreisen zu lassen, eine merkwürdiger als die andere, eine ungeheuerlicher als die andere. Die Stadt glich einem Ameisenhaufen, der von der Hand eines bösen Buben aufgewühlt worden war.
    Eine Menge von Städtern und Bauern kam im Laufe des Tages mit ihren Frauen und Kindern an und umringte klagend die Klostermauern. Vor Sonnenuntergang trat Kordecki

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