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Sintflut

Sintflut

Titel: Sintflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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aber nichts davon, – nur in zwei Fenstern des Eßzimmers flackerte ein unsicherer Lichtschein, alles andere war dunkel, stumm und taub.
    Kmicic sprang vom Pferde herunter. Die Flurtür stand weit offen.
    »He, wer ist da?« schrie Kmicic.
    Niemand antwortete. Er rief noch einmal lauter. Ringsum Schweigen.
    »Haben die gesoffen!« brummte Pan Andreas, und er knirschte mit den Zähnen vor Wut.
    Er ging nach dem Eßzimmer. Auf dem ungeheuer großen Tische brannte die Talglampe. Beim Luftzug flackerte die Flamme so auf, daß Pan Andreas zuerst nichts sehen konnte. Als das Licht ruhiger geworden, sah sein Auge eine Reihe Gestalten an der Wand liegen.
    »Haben sie sich zu Tode getrunken, oder was?« sagte er unruhig und ging an die erste Gestalt.
    Das Gesicht war nicht zu sehen, aber an der weißen Hülle der Klarinette erkannte er Uglik. Er stieß ihn ohne weitere Zeremonien mit dem Stiefel an.
    »Steht auf, Rindviehcher, steht auf!«
    Aber Pan Uglik lag unbeweglich, und ebenso die übrigen. Niemand gähnte, niemand erwachte, niemand brüllte. Bald bemerkte Kmicic, daß alle auf dem Rücken lagen, in gleicher Lage. – Und eine unbestimmte Ahnung erfaßte sein Herz.
    Er lief zum Tisch, griff mit zitternder Hand die Lampe und beleuchtete die Gesichter der Liegenden. – Seine Haare stiegen ihm zu Berge, ein so schreckliches Bild bot sich ihm dar. Dort lag Uglik, kaum konnte er ihn erkennen, denn sein Gesicht und Kopf glichen einer formlosen, blutigen Masse, ohne Augen, Nase und Mund. Daneben Zend mit fletschenden Zähnen und hervorgequollenen Augen, in denen das Entsetzen vor dem Tode sich widerspiegelte. Ranicki lag mit geschlossenen Augen über und über mit Wunden bedeckt. Da erblickte Kmicic Pan Kokosinski, seinen Liebling, seinen alten Gutsnachbar. Er schien ruhig zu schlafen, nur am Halse war eine tiefe Wunde, wahrscheinlich von einem Bajonettstich. Kmicic leuchte alle der Reihe nach ab. Als er das Gesicht des sechsten, Rekuc', beleuchtete, schien es ihm, daß die Lider des Unglücklichen leicht erzitterten.
    »Rekuc! Rekuc!« schrie er, »ich bin es!«
    Rekuc' Augen öffneten sich, er erkannte das Gesicht des Freundes und stöhnte: »Einen Geistlichen – schnell!«
    »Wer hat euch getötet?« schrie Kmicic
    »Die – But – ryms –« hörte er leise eine im Todeskampf brechende Stimme. Rekuc streckte sich noch einmal und war tot. – –
    Kmicic ging schweigend an den Tisch, stellte die Lampe hin, ließ sich auf einen Stuhl nieder und strich mit der Hand über sein Gesicht. Schlief er? Sah er vor seinen Augen noch Traumbilder? Er wußte es selbst nicht. – Dann blickte er wieder auf die an den Wänden liegenden Leichen. Kalter Schweiß bedeckte seine Stirn, sein Haar stand zu Berge. – Plötzlich schrie er auf, so daß die Fensterscheiben in den Rahmen erzitterten: »Hierher! Alle hierher!« – –
    Die Soldaten, als sie den Schrei hörten, stürzten ins Zimmer herein.
    Kmicic wies mit der Hand auf die erschlagenen Kameraden: »Ermordet! Ermordet!« wiederholte er mit heiserer Stimme.
    Die Soldaten traten zu den Leichen, einige zündeten Holzspäne an und beleuchteten die Liegenden. Nach dem ersten Augenblicke des Staunens entstand Lärm und Tumult. Man vernahm Drohungen und Flüche.
    Kmicic, der bis dahin regungslos gesessen hatte, sprang auf und schrie: »Auf! zu Pferde!«
    Es verging kaum eine halbe Stunde, und hundert Reiter flogen über die breite, schneebedeckte Straße dahin; voran ritt Pan Kmicic, ohne Mütze, das blanke Schwert in der Hand. –
    Der Mond hatte gerade den höchsten Punkt am Himmelsbogen erreicht, als sein Licht sich plötzlich mit einem schwachen, rosigen Schein, der aus der Erde zu kommen schien, zu vermischen begann. Allmählich wurde der Himmel immer röter, bis ein blutiger Feuerschein die ganze Gegend einhüllte. – – Ein Feuermeer wütete in den Besitzungen der Butryms, und der rasende Kmicic schlug und mordete inmitten des Rauches, der Flammen und der Funken, die garbenweise zum Himmel flogen, die bestürzten und um den Verstand gekommenen Edelleute. –
    Die Einwohner der benachbarten Dörfer versetzte das Feuer in große Unruhe: »Vielleicht hat der Feind die Butryms überfallen und ihre Gehöfte angezündet? Was für ein fürchterlicher Brand!« – –
    Die Schüsse, die von dort herüberhallten, machten diese Annahme noch wahrscheinlicher.
    »Schnell, eilen wir zu Hilfe!« riefen die Beherzteren, »lassen wir unsere Brüder nicht ermorden!«
    Die Jugend bestieg schnell

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