Sintflut
die Pferde, und bald hörte man die Glocken von Upita und Krakinowo Sturm läuten.
In Wodokty wurde Alexandra durch ein leises Klopfen an der Tür aus dem Schlafe geweckt.
»Steh auf! steh auf!« rief Panna Kulwiec.
»Komm doch herein! Was ist los?«
»Wolmontowicze brennt! – Die Schüsse hört man bis hierher, – dort wütet eine Schlacht! Gott erbarme sich unser!«
Alexandra schrie auf, sprang aus dem Bette und begann, sich eiligst anzukleiden. Sie zitterte wie im Fieber; sie erriet sofort, was für ein Feind über die armen Butryms hergefallen war.
In einer Minute versammelten sich bei ihr sämtliche Frauen des Hauses. Alle weinten und wehklagten. Alexandra fiel vor dem Heiligenbild in die Kniee und begann laut zu beten.
Plötzlich wurde an der Flurtür heftig geklopft.
Mit einem Schrei des Schreckens sprangen die Frauen hoch.
»Nicht öffnen! Nicht öffnen!«
Mit doppelter Kraft wurde an die Tür geschlagen; fast schien es, daß die Tür diesen Schlägen nachgeben würde. Kostek kam ins Zimmer gestürzt.
»Gnädige Panna,« meldete er, »draußen klopft ein Mann! Soll ich ihm öffnen?«
»Ist er allein?«
»Ja, allein.«
»So geh! öffne!«
Der Junge ging heraus. Alexandra nahm eine Kerze und ging ins Eßzimmer, Panna Kulwiec und die Mägde folgten ihr.
Kaum hatte Alexandra die Kerze hingestellt, als schwarz vom Rauch, mit Blut bespritzt, atemlos, mit Augen, aus den der Wahnsinn sprach, Kmicic vor den Frauen erschien.
»Mein Gaul ist gefallen!« schrie er, »man verfolgt mich!«
Alexandra sah ihn mit durchdringendem Blick in die Augen.
»Haben Sie Wolmontowicze angesteckt?«
»Ja, – ich –«
Er wollte noch etwas hinzufügen, als plötzlich aus der Richtung des Waldes menschliche Stimmen und Pferdegetrappel erschallte.
»Teufel! Verflucht! Jagd auf meine Seele!« schrie Kmicic.
Panna Alexandra wandte sich zu den Frauen:
»Wenn man fragt, sagt, hier sei niemand. Und jetzt geht in die Gesindestube und bringt Kerzen hierher!«
»Und Sie dort hinein!« Sie zeigte Kmicic das angrenzende Zimmer. Mit sichtlichem Abscheu stieß sie ihn durch die offenstehende Tür hinein, die sie hinter ihm verschloß.
Während dieser Zeit füllten bewaffnete Leute den Hof, und einige Augenblicke später kamen die Butryms, Domaszewiczs und andere ins Haus. Im Eßzimmer trat ihnen mit einer Kerze in der Hand Alexandra entgegen und sperrte den Weg zu den anderen Zimmern.
»Was treibt ihr hier? Was wollt ihr, Leute?« fragte sie, ohne die Augen vor den drohenden Blicken und den Unheil verkündenden blanken Säbeln zu senken.
»Kmicic hat Wolmontowicze verbrannt!« vernahm man Juzwa Butryms Stimme, »und wir verlangen jetzt seinen Kopf.«
»Seinen Kopf! Blut! In Stücke den Mörder!«
»So jagt doch hinter ihm her!« schrie die Panna. »Was steht ihr hier? Jagt ihm nach!«
»Hat er sich denn nicht hier versteckt? Wir haben sein Pferd am Waldesrand gefunden.«
»Hier ist er nicht! Das Haus war verschlossen. Geht, sucht in den Ställen und Remisen!«
»So hat er sich in den Wald geflüchtet!« schrie ein Edelmann.
»Ruhe!« donnerte Juzwa Butrym. »Panna, verstecken Sie ihn nicht; er ist ein Mensch, über dem der Fluch vieler schwebt.«
Alexandra hob beide Arme:
»Und ich verfluche ihn auch!«
»Amen!« schrieen die Ritter. »Auf! Laßt uns die Ställe und den Wald durchsuchen! Schnell hinter dem Bösewicht her!«
Panna Alexandra blieb allein. – Sie lauschte und wartete, bis überall vollständige Stille herrschte; dann trat sie wie im Fieber in die Tür des Zimmers, in das sie Pan Andreas versteckt hatte.
»Es ist niemand mehr da! Kommen Sie heraus!«
Kmicic trat heraus; er schwankte als wie berauscht.
»Alexandra!« begann er.
Sie schüttelte den Kopf.
»Ich will Sie nicht sehen! von Ihnen nichts wissen! Nehmen Sie ein Pferd und reiten Sie fort von hier!«
»Alexandra!« stöhnte Kmicic und streckte die Arme nach ihr aus.
»Ihre Hände sind mit Blut befleckt wie die Kains!« schrie sie und wich zurück wie beim Anblick einer Schlange. »Fort von hier! Für alle Ewigkeit!« –
6. Kapitel.
Ein trüber Tag erwachte und beleuchtete die Ruinen von Wolmontowicze, die Reste der Häuser und Wirtschaftsgebäude, verbrannte und erschlagene Leichen von Menschen und Pferden. In der Asche, unter der erlöschenden Glut suchten die Einwohner nach ihren Angehörigen oder Teilen ihrer Besitztümer. Das war ein Tag der Trauer und des Jammers für den ganzen Laudagau. Außer den Butryms, die am meisten
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