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Sintflut

Sintflut

Titel: Sintflut Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Henryk Sienkiewicz
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sah Panna Alexandra Kmicic' Lumpengesindel vor ihrem Hause ankommen: so sehr ähnelten diese aufgelesenen Menschen in ihrer zusammengeraubten Ausrüstung Wegelagerern.
    Alexandra beruhigte sich erst, als Pan Andreas heiter wie sonst ins Zimmer trat und ihr die Hand küßte.
    Sie hatte sich vorgenommen, ihn kühl und abweisend zu empfangen, aber unter seinem aufrichtigen und liebevollen Blick schmolz ihr fester Entschluß wie Schnee bei Sonnenschein.
    »Er liebt mich! Ohne Zweifel, er liebt mich!« dachte sie.
    »Ich habe mich so gesehnt nach dir, daß ich am liebsten ganz Upita verbrannt hätte, um schneller her zu können,« sagte er. »Hole sie alle der Teufel!«
    »Und Sie haben dort wieder Ordnung und Ruhe hergestellt? – Gott sei Dank, daß Sie wieder hier sind!«
    »Laß mich, mein Schatz, erst ein wenig verschnaufen, dann werde ich alles erzählen. – Wie warm es hier ist bei Ihnen, so gemütlich! Ganz wie im Paradies. Ich möchte mein Lebelang hier sitzen und in diese klaren Augen sehen. – Draußen herrscht ein starker Frost; ein warmer Trank könnte nichts schaden. Auch den Galgenstricken draußen lassen Sie ein Fäßchen Branntwein geben, damit sie sich im Stall wärmen. Ihre Pelze sind ja mit Wind gefüttert.«
    »Für sie soll mir nichts zu viel sein, es sind ja doch Ihre Soldaten.« Alexandra lächelte und ging leise hinaus, um ihre Anordnungen zu treffen.
    Kmicic ging im Zimmer auf und ab, fuhr sich über seine Haarmähne und drehte seinen Schnurrbart. »Es ist schwer, ihr die ganze Wahrheit zu sagen,« brummte er vor sich hin.
    Bald kam die reizende Hausfrau mit einem glänzenden Bleitablett, auf dem aus einem Topf der gewärmte Ungarwein duftend dampfte.
    Pan Andreas sprang auf Alexandra zu:
    »Ach! Jetzt sind deine beiden Hände beschäftigt, kannst dich gar nicht wehren. Er bog sich über das Tablett, um sie zu küssen; sie aber warf ihr blondes Köpfchen weit zurück.
    »Lassen Sie doch! – Ich lasse sonst das Tablett fallen!«
    »Bei Gott! Beim Anblick einer solchen Schönheit kann man leicht den Verstand verlieren!«
    »Sie sind schon längst von Sinnen. – Setzen Sie sich lieber hin.«
    Er setzte sich gehorsam; sie schenkte ihm Wein ein.
    »Nun erzählen Sie, wie Sie in Upita die Schuldigen gerichtet haben!«
    »In Upita? – Wie Salomo.«
    »Gott sei Dank! Ich möchte, daß alle in dieser Gegend Sie als einen gerechten Mann preisen. – Wie verlief es also?«
    Kmicic tat mehrere Züge, seufzte und begann. »Es war so: Der Bürgermeister sagte zu den Soldaten: Ihr seid Freiwillige, ihr habt nichts zu fordern. – Quartier werden wir euch gewähren, aber Proviant gibt's nur, wenn wir sehen, daß ihr uns dafür bezahlen könnt.«
    »War er im Rechte oder nicht?«
    »Dem Gesetze nach war er im Recht, aber die Soldaten hatten Säbel im Gürtel, und nach alter Sitte ist der im Rechte, der einen Säbel hat. Und so begann eine Rauferei. Die armen Soldaten steckten vor Schreck ein paar Scheunen an und beruhigten einige Bürger.«
    »Beruhigten einige Bürger?«
    »Nun, wenn jemand einen Säbelhieb über den Kopf kriegt, so muß er sich wider Willen beruhigen.«
    »Aber mein Gott, das ist doch Mord!«
    »Die Soldaten kamen und klagten mir, sie stürben Hungers; der Bürgermeister kam und klagte, die Soldaten fordern Fleisch und Met, und das könne die arme Bevölkerung nicht liefern.«
    »Gott wird Sie segnen,« unterbrach ihn Alexandra, »wenn Sie Gerechtigkeit walten ließen.«
    »Meine Königin,« sagte er in kläglichem Tone, »mein Schatz, zürne mir nicht.« – –
    »Nun, was haben Sie getan?« fragte Alexandra unruhig.
    »Ich ließ dem Bürgermeister und den mit ihm erschienenen drei Stadtvertretern je hundert Peitschenhiebe verabfolgen,« sprudelte Pan Andreas in einem Atem hervor.
    Alexandra sagte nichts, sie senkte den Kopf und versank in Schweigen.
    »Reiße mir den Kopf ab, aber zürne mir nicht! Ich habe noch nicht alles gebeichtet.«
    »Noch nicht alles!« stöhnte die Panna.
    »Sie hatten nach Poniewiez um Hilfe geschickt. Es kamen hundert Narren mit ihren Offizieren. Die Soldaten habe ich ein wenig eingeschüchtert – und die Offiziere, – die ließ ich, – um Gottes willen, zürne mir nur nicht! – nackt durch den Schnee über die Grenze peitschen.«
    Panna Billewicz hob den Kopf, ihre Augen brannten vor Zorn, das Gesicht bedeckte eine flammende Röte.
    »Sie besitzen weder Schamgefühl noch ein Gewissen! Ihre Handlungen sind eines Wegelagerers, aber keines Ritters würdig.

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