Sintflut
nicht!«
»Sprechen Sie nicht so, sonst komme ich von Sinnen! Engel, kommt her, rettet mich! Folgen Sie mir nicht in Gutem, so werde ich Sie mit Gewalt nehmen, wenn Sie auch sämtliche Habenichtse der Gegend, selbst die Fürsten Radziwill, den lieben Gott und alle Teufel mit ihren Hörnern zum Beschützer haben sollten. – Selbst wenn ich meine Seele dem Teufel verschreiben müßte!«
»Rufen Sie nicht die bösen Geister an, denn sie werden Sie erhören!« rief Alexandra aus.
»Was verlangen Sie von mir?«
»Seien Sie ehrenhaft.«
Beide schwiegen, im Zimmer wurde es ganz still. Man vernahm nur das schwere Atmen Pan Andreas'. Alexandras letzte Worte durchbohrten den Panzer, der sein Gewissen umhüllte. Er fühlte sich vernichtet, aber er wußte nicht, was er sagen, wie er sich verteidigen sollte.
»Leben Sie wohl!« sagte plötzlich Pan Kmicic.
»Leben Sie wohl, möchte Gott Sie eines Besseren belehren,« antwortete Alexandra.
Kmicic ging zur Tür, plötzlich drehte er sich wieder um, lief auf Alexandra zu und faßte ihre Hände.
»Um Christi willen! Wollen Sie, daß ich tot vom Pferde stürze?«
Alexandra brach in Schluchzen aus. Er umfaßte sie und hielt sie, die am ganzen Körper zitterte, in seinen Armen.
»Schlage mich! – Schlage mich! – Nur weine nicht, meine Teuerste. Ich bin schuldig. Ich werde alles tun, was du willst! – Ich schicke sie fort. – Ich werde in Upita alles in Ordnung bringen. – Ich werde mich bessern. Mache mit mir alles, was du willst, nur weine nicht und habe mich lieb!«
So beruhigte und liebkoste er sie.
»Fahren Sie,« sagte sie, als sie sich ausgeweint hatte. »Gott wird uns beide versöhnen. Ich zürne Ihnen nicht mehr, nur im Herzen, da tut es weh.«.
Der Mond stand schon hoch über den weißen Feldern, als sich Pan Andreas mit seinen Soldaten auf den Weg nach Lubicz machte.
Reue und Zorn stritten in seinem Herzen, doch das Gefühl des Ärgers über sich selbst gewann meist die Oberhand.
Dies war die erste Nacht seines Lebens, in der er mit seinem Gewissen Abrechnung hielt, und diese Rechnung bedrückte ihn mehr als der schwerste Panzer. Mit einem schlechten Rufe war er hierher gekommen, und was hatte er getan, um ihn zu verbessern? Am ersten Tage fand in Lubicz eine Orgie statt, seine Soldaten vergriffen sich an der städtischen Bevölkerung, er aber setzte dem noch die Krone auf, er schlug die Soldaten, die aus Poniewiez kamen, er ließ die Offiziere nackt durch den Schnee treiben! – Man wird ihm einen Prozeß anhängen, man wird ihn seiner Güter, seiner Ehre, vielleicht gar seines Lebens berauben. – Und er wird nicht wie früher eine Bande Gesindel zusammentrommeln und auf das Gesetz pfeifen können; denn er will heiraten, er will sich in Wodokty festsetzen, er will im regulären Heer dienen. Und da wird ihn der Arm des Gesetzes schon erreichen. Selbst wenn er auch straflos ausginge, wenn seine Gewalttätigkeiten keine Vergeltung fänden, er fühlt das Widerwärtige, das eines Ritters Unwürdige in allen diesen Vergehen heraus, und in seinem Gewissen und in Alexandras Herzen wird die Erinnerung an sie ewig leben.
Bei dem Gedanken, daß Alexandra ihn doch nicht verstoßen, daß sogar beim Abschied in ihren Augen Verzeihung zu lesen war, erschien das Mädchen ihm so gut wie ein Engel vom Himmel. Am liebsten wäre er umgekehrt, um ihr zu Füßen zu fallen, sie um Vergebung zu bitten und diese süßen Augen zu küssen, die heute sein Gesicht mit Tränen benetzten. Er fühlte, daß er dieses Mädchen liebte wie niemanden auf der Welt. »Ich schwöre bei der heiligen Jungfrau,« sagte er zu sich selbst, »ich werde alles tun, was sie von mir verlangt; ich werde meine Kameraden freigebig beschenken und sie ans Ende der Welt schicken. Es ist wahr, sie verführen mich immer zu allem Bösen. Gewiß werde ich sie in Lubicz betrunken und mit den Mägden zusammen antreffen,« Und ein furchtbarer Ärger darüber erfaßte ihn. »Ich werde es ihnen aber heimzahlen, sie sollen mich kennen lernen!«
In seiner Wut gab er dem Pferde die Sporen, daß es aufstöhnte, und der Wachtmeister Soroka sagte zu den Soldaten:
»Unser Rittmeister ist toll geworden, behüt uns Gott, daß wir ihm jetzt nicht unter die Hände kommen!«
Die Tore des Herrenhauses in Lubicz waren weit geöffnet. Kmicic staunte nicht wenig, als niemand in den Hof kam zu seinem Empfange. Er glaubte die Fenster hell erleuchtet zu finden, Violinenspiel und die fröhlichen Stimmen der Tanzenden zu vernehmen,
Weitere Kostenlose Bücher