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Sirenenlied

Sirenenlied

Titel: Sirenenlied Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Heitmann
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auf den Mund gefallen. Sie hilft abends ab und an im Peebles aus, und da hat sie sich mit Mary beim Gläserspülen darüber unterhalten, was für eine Verschwendung es ist, dass du an allem Möglichen Interesse hast, nur nicht an der hiesigen Damenwelt. Und weil du in der letzten Zeit derartig abwesend wirkst, würde sie gern persönlich dafür sorgen, dass du den Weg ins Hier und Jetzt zurückfindest. Mary hat ihr übrigens fleißig zugestimmt. Falls du also mehr auf ältere, erfahrene Frauen stehst …«
    Josh winkte ab und ging ins Bootshaus, wo seit letztem Herbst die Dau eines englischen Geschäftsmanns aufgedockt stand. Ein hübsches altes Schätzchen, das einmal gründlich von Kopf bis Fuß überholt werden sollte. Logan, der ihm gefolgt war, bekam beim Anblick des Segelschiffes wie immer einen seligen Gesichtsausdruck. Nicht nur weil ihm die Arbeit an der Dau die Wintermonate finanzierte, sondern weil er jeder Form von Wassergefährt eine Zuneigung entgegenbrachte, die an einen ausgewachsenen Spleen heranreichte. Außerdem war eine Dau in schottischen Gewässern nur selten zu sehen, was sie für Logan gleich doppelt wertvoll machte.
    Josh tätschelte den Kiel, wobei er Logan zublinzelte. »Und, sagt sie schon Papa zu dir?«
    »Noch nicht, aber bald habe ich sie so weit.« Logan kam
mit zwei Kaffeebechern zu ihm, und die beiden Männer grinsten sich an.
    »Das wird hart für dich, wenn Mr. Global Player sie im Mai abholen lässt.«
    Ein wenig hilflos zuckte Logan mit den Schultern, dann wechselte er das Thema. »Wir müssen über die Befestigung der neuen Planken reden. So, wie wir das geplant haben, gefällt mir das noch nicht richtig.«
    Mit einem Brummen drehte Josh den Becher zwischen seinen Händen, während er das Problem mit den Planken durchdachte. Zum ersten Mal seit letzter Nacht achtete er nicht mehr auf den Gesang des Meeres, der ihn zu locken versuchte.
     
    Nachdem Josh am späten Mittag bei MacMillian’s, dem hiesigen Wir-haben-alles-und-wenn-wir-es-nicht-haben-dann-brauchen-Sie-es-auch-nicht-Laden, die übrig gebliebenen Koteletts und noch einige andere Lebensmittel auf Rechnung gekauft hatte, fuhr er wie jeden Mittwoch mit seiner Maschine den Feldweg entlang, der zur Steilküste hinaufführte. Mittlerweile hatte sich der Himmel wieder zugezogen, und Josh musste sich tief über sein Lenkrad beugen, um dem aufkommenden Wind zu trotzen. Wie immer wurde er für seine Mühe mit einem fantastischen Blick auf den tosenden Atlantik belohnt, dem er um diese Jahreszeit leider nicht lange nachhängen konnte, wenn er nicht vom Wind umgeweht werden wollte. Hastig suchte er Schutz in dem alten Cottage, das sich in eine Mulde schmiegte.
    Jack Finebird, der Besitzer des Cottage und Financier der mittwöchlichen Mittagessen, hatte die Ruine vor gut fünf Jahren restaurieren lassen. Für den damals sechzehn
Jahre alten Josh war es der erste richtige Job gewesen. Zwar hatte er keinerlei Ahnung gehabt, wie man das alte Mauerwerk fachgemäß wieder hochzieht oder wie man einen Dachstuhl baut, aber das hatte ihn nicht davon abgehalten, es zu tun.
    Josh verfügte über die seltene Begabung, sich nicht nur genau vorzustellen, wie man etwas bewerkstelligte, sondern er konnte seine Überlegungen auch in die Tat umsetzen. Er war ein echtes Multitalent, wie seine Mutter zu sagen pflegte, oder schlicht ein »cleverer Bursche«, wie Logan ihn gegenüber seinen Freunden im Pub bezeichnete.
    »Den Jungen kannst du an alles ransetzen, ob Motor oder gebrochener Mast. Der findet bestimmt die beste Lösung. Man muss ihn eben nur dazu bringen, seine Tagträume mal für eine Zeit lang abzuschalten. Aye.«
    Auch Jack Finebird hatte sich schon so seine Gedanken über den jungen Mann gemacht, dem alles in den Schoß zu fallen schien und der sich so wenig aus seinen Talenten machte, dass er sich nur mit unzähligen Aushilfsjobs über Wasser hielt. In den über achtzig Lebensjahren hatte Finebird eine Menge Leute kennengelernt, aber nur wenige von ihnen hatten auch nur ansatzweise solch eine Geschicklichkeit an den Tag gelegt wie Josh Galbraith. Zu Beginn ihrer Freundschaft hatte er oft gedacht, dass Josh seine Zeit auf Cragganmore Island verschwendete. Eigentlich gehörte er in eine Großstadt, wo ihm alle Möglichkeiten offenstanden, so dass er herausfinden konnte, wofür sich seine Begabung am besten einsetzen ließe. Aber dann war ihm klargeworden, dass es keinen besseren Platz für diesen jungen Mann gab als diese felsige Insel

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