Skin Deep - Nichts geht tiefer als die erste Liebe (German Edition)
warum hast du dann noch nichts davon erzählt?«
»Ich wusste das mit Dad doch nicht. Ich wusste nicht, dass sie ihn verdächtigt haben. Und ich weiß nicht genau, was ich gesehen habe. Jedenfalls nicht richtig.«
»Charlie, wovon redest du? Das ist doch verrückt. Jetzt sag es einfach!«
»Gleich nachdem du die Treppe raufgekommen bist, bin ich zurück ins Bett gegangen. Durchs Fenster habe ich etwas gesehen. Ich habe mein Fernglas rausgeholt. Und … Jen, wir müssen einfach hingehen und nachschauen … bitte sei still und komm jetzt mit.«
Er eilte davon und ich blieb einen Augenblick stehen und sah ihm nach. Er machte mich wütend und dieser ganze »Ich kann es nicht sagen«-Mist zerrte an meinen sowieso schon strapazierten Nerven. Aber wenn er etwas beobachtet hatte –
was
es war, konnte ich mir nicht vorstellen –, dann hatte ihn das vielleicht so aus der Fassung gebracht, dass er sich nicht überwinden konnte, es mir zu erzählen. Er war erst zehn, und wenn ihn etwas aus der Fassung brachte – was nicht sehr oft vorkam –, konnte er das nicht gut verbergen. Ich seufzte und folgte ihm durch ein Loch in der Hecke in Lindsays Garten. Er war gerade sehr aufgeregt, also ließ ich ihm noch einen Moment. Aber was zum Teufel wollten wir hier?
Charlie schlich geduckt bis zum Rosengarten. Er blieb stehen und zeigte in die Dunkelheit.
Ich kniff die Augen zusammen und sah einen blassen Schimmer.
»Was ist da?«, flüsterte ich. »Wo soll ich hinsehen?«
»Dahin. Direkt vor dir«, flüsterte er zurück.
Ich verdrehte die Augen, nahm ihm die Taschenlampe aus der Hand und schaltete sie an.
»Sei vorsichtig«, murmelte er und stellte sich hinter mich.
»Was machst du denn da?«
»Das Licht abschirmen, damit man es vom Haus aus nicht sieht.«
»Sei nicht albern. Da drin ist doch nur Lindz’ Dad.«
Der Strahl der Taschenlampe schien auf einen Rosenstrauch, an dem noch immer ein paar Blüten hingen. Perfekte weiße Blüten, die mir bekannt vorkamen. Ich ließ das Licht langsam über den Strauch wandern.
»Ist es das? Deswegen hast du mich hergebracht?« Ryan saß im Gefängnis, und er schleppte mich hierher, damit ich mir einen Strauch anguckte! Ich wollte gerade wütend werden.
Doch etwas hielt mich zurück. Die Art, wie Charlie geklungen hatte, der ängstliche Ausdruck in seinem Gesicht und die Rosen … die ich schon mal gesehen hatte.
Wieder ließ ich den Strahl der Taschenlampe über den Strauch gleiten. An seiner Wurzel befand sich eine Tafel, und ich beugte mich vor, um sie besser sehen zu können. »Gott schenkt uns die Erinnerung, dass es Rosen im Dezember gibt«, las ich langsam.
Ein Schauer lief mir über den Rücken. Irgendetwas stimmte nicht. Ganz und gar nicht.
Charlie schob mich zur Seite. »Halt die Taschenlampe und pass auf.« Er kniete sich auf den Boden und fing an, neben dem Strauch zu graben. Als ich mit der Taschenlampe die Umgebung ableuchtete, entdeckte ich, dass der Rosenstrauch einzeln gepflanzt worden war. Nicht eine einzige andere Pflanze stand in seiner Nähe. Wieder durchfuhr mich ein Schauer.
»Charlie, was machst du da? Was hast du gesehen?« Jetzt erkannte ich das Gefühl, das mir den Magen zuschnürte. Angst.
»Ich habe Mr Norman gesehen. Er hat etwas vergraben, es sah wie … ach, jetzt sei still, Jen, ich muss es herausfinden.« Er schaufelte wie wild und warf die Erde zur Seite.
Ich wartete und schaute immer wieder zum Haus, um sicherzugehen, dass Mr Norman uns nicht gesehen hatte. Während Charlie tiefer und tiefer grub, bekam ich eine Gänsehaut. Lindz’ Dad? Er konnte nichts damit zu tun haben. Es war genauso unglaublich wie der Gedanke, dass mein Vater es getan –
Charlie wich zurück, stieß gegen mein Bein, und ich ließ die Taschenlampe fallen. »Mist! Pass doch auf, du hast mich erschreckt.«
Er griff nach der Taschenlampe und hob sie auf. Ich nahm sie ihm wieder aus der Hand und leuchtete in das Loch. »Oh mein Gott!«
Mir wurde kalt. Das Gesicht meines Bruders war aschfahl.
Da lag ein Wollpullover. Er war voller Flecken, weil er wochenlang in der Erde vergraben gewesen war, doch die harte Kruste auf der Wolle war im Licht der Taschenlampe deutlich zu erkennen. Eine dunkle, eingetrocknete Kruste.
Charlie griff in seine Hosentasche und zog einen der Gummihandschuhe hervor, die Mum unter der Spüle in der Küche aufbewahrte. Er streifte ihn über und holte den Pulli aus dem Loch.
»Charlie, ist das –«
»Ja.«
Unter dem Pullover befand sich eine
Weitere Kostenlose Bücher