Skin Deep - Nichts geht tiefer als die erste Liebe (German Edition)
beige Hose, die mit den gleichen dunklen Flecken gesprenkelt war. Und darunter Schuhe mit hineingestopften Socken. Charlie holte alles heraus. Als Letztes sahen wir eine Kiste, die sorgfältig ganz unten im Loch platziert worden war. Eine Holzschatulle mit einer Messingtafel auf dem Deckel. »Lindsay Norman. Geliebte Tochter.«
Einen Moment lang war ich wie erstarrt. Ich hörte, wie das Blut in meinen Ohren pochte, doch ich konnte mich nicht bewegen. Ich schaute einfach nur auf die Kiste mit Lindsays Asche. Selbst meine Augen waren wie gelähmt.
»Jen?«, flüsterte Charlie. »Was machen wir jetzt?«
Der Strahl der Taschenlampe wackelte, weil meine Hand zitterte. »Leg alles zurück. Und bedeck es mit Erde. Schnell. Wir müssen hier weg.«
Während er schaufelte, versuchte ich, die Taschenlampe ruhig zu halten.
Es war einfach nicht wahr … ich hatte das nicht gesehen … NEIN!
Doch. Es war so. Er hatte die Sachen auf ihr begraben. Wie ein Opfer. Als ob das Gerechtigkeit bedeutete. Stevens Blut für ihres.
Ich wollte weinen und nie mehr aufhören, denn einen winzigen Augenblick lang konnte ich ihn verstehen, und es kam mir gerecht vor. In dem Moment brach ein kleines Stück meines Herzens, aus Mitgefühl für Mr Norman.
Sobald das Loch wieder zugeschüttet war, zog ich Charlie hoch und knipste die Taschenlampe aus. Wir liefen durch den Garten, kämpften uns durch die Hecke und hörten nicht auf zu rennen, bis wir zu Hause waren. Ich riss die Tür auf, schob Charlie ins Haus und schloss hinter uns ab.
»Jen?« Charlies Stimme zitterte. »Es tut mir leid. Ich hätte es sagen …«
»Warum hast du es nicht getan? Ach, Charlie, warum um Himmels willen hast du es nicht getan?«
Dicke Tränen sprangen ihm in die Augen und liefen ihm über die Wangen. »Er hat mir immer Süßigkeiten gekauft. Er hat mir all seine Zeitschriften über Vogelbeobachtung geschenkt. Sogar sein Fernglas. Letztes Jahr hat er mir dabei geholfen, den Nistkasten auf dem Schuppen zu bauen.« Er vergrub seinen Kopf an meiner Schulter. »Außer
ihm
hat er nie irgendjemandem etwas getan. Nie. Und ich hasse Steven. Er hat alles kaputt gemacht. Es ist mir egal, dass Mr Norman ihn umgebracht hat. Er verdient es.«
Und jetzt würden sie ihn einsperren, den Vater meiner besten Freundin … und das war so ungerecht, weil … weil …
»Aber jetzt ist alles anders. Wegen Ryan. Ich muss es ihnen doch sagen, oder, Jen? Ich will nicht, aber wir müssen, oder?«
Ryan. Er war kein Mörder. Er war wegen etwas eingesperrt, das er nicht getan hatte. Und deshalb, ja …
es tut mir leid, Mr Norman, so furchtbar leid …
wir müssen es tun.
»Dad! Mum!«
Dad erschien zuerst in der Diele, er runzelte besorgt die Stirn, als er Charlie weinen sah – und mich … denn erst jetzt bemerkte ich, dass ich auch weinte.
»Du musst die Polizei rufen, Dad. Wir wissen, wer Steven getötet hat.«
54_Ryan
Ich musste schließlich doch eingeschlafen sein, denn das Scheppern der Zellentür weckte mich auf.
»Los, komm, Junge. Steh auf.« Es war der Kommissar, der mich verhört hatte.
»Haben Sie die Flasche gefunden? Wie spät ist es?«
»Es ist nach Mitternacht. Und ja, wir haben die Flasche gefunden. Schon vor einer Weile.« Er reichte mir einen Becher Kaffee. »Trink das. Wir haben sogar noch mehr gefunden. Tut mir leid, dass wir dich so lange ohne Nachricht haben warten lassen, aber wir sind auf etwas gestoßen, und ich wurde weggerufen.« Er sah erschöpft aus, seine Augen waren blutunterlaufen.
»Und was ist jetzt?« Ich trank einen Schluck Kaffee, um einen klaren Kopf zu kriegen.
»Du kannst gehen.«
Ich prustete in den Becher. »Aber –«
»Ein Streifenwagen bringt dich und deine Eltern nach Hause.« Er lächelte entschuldigend. »Wir wissen, wer es getan hat, und haben ein volles Geständnis.«
»Wer?« Ich konnte es immer noch nicht glauben – ich durfte nach Hause?
»Der Nachbar der Reeds, John Norman. Seine Tochter starb bei dem Autounfall, den Carlisle verursacht hat.«
Lindsays Vater
… »Wie haben Sie es herausgefunden?«
»Charlie Reed hat gesehen, wie er die Kleider vergrub, die er anhatte, als er Carlisle getötet hat. Er hat nichts davon erzählt, bis er herausfand, dass wir den Falschen verhaftet hatten.« Der Kommissar zuckte mit den Achseln. »Er ist noch ein Kind, und er mochte den Mann – er hat nicht begriffen, dass er es jemandem hätte erzählen sollen. Wir mussten Mr Norman nicht mal verhören. Als wir ihm mitteilten, dass wir
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