Skin Deep - Nichts geht tiefer als die erste Liebe (German Edition)
denn?«
»Ein Brief«, sagte sie, reichte mir einen Umschlag und ging zurück in die Küche.
Name und Adresse stimmten, doch die Postleitzahl fehlte.
Ich öffnete ihn.
Es war eine Karte mit einem Teddybär, der ein großes rotes Herz in Händen hielt. Außer einem X stand dort nichts.
Ich drehte den Umschlag herum. Der Poststempel war verwischt, und ich konnte nicht erkennen, wo der Brief herkam.
Ryan?
Wer sonst?
Und er kennt auch bestimmt unsere Postleitzahl nicht …
Ich ging in mein Zimmer, um nachzudenken. Wenn er es nicht war und ich ihm eine Nachricht schickte …
Aber wenn er es war?
Ich brauchte eine Stunde, bis ich mich entschieden hatte. Für einen Moment hielt ich die Luft an und sandte ihm einen einzelnen Kuss zurück.
Er antwortete nicht.
Als die Rosen nach Ostern wieder zu blühen anfingen, ging ich zum weißen Schneewittchen-Strauch in Lindsays Garten. Ich schnitt eine Rose ab und nahm sie mit zur Brücke. Dort setzte ich mich hin und redete eine Weile mit ihr.
»Ich möchte dir etwas sagen, Lindz. Wahrscheinlich hätte ich nicht den Mut dazu gehabt, als du noch am Leben warst. Vielleicht war es mir damals auch gar nicht klar. Du warst immer diejenige, die die Leute angezogen hat. Die Hübsche. Voller Selbstbewusstsein. Warst so selbstsicher. Du warst wie die Sonne, und ich fühlte mich immer ganz farblos, wenn ich hinter dir hertrottete.«
Ich schwieg und berührte eine perfekt geformte Knospe.
»Aber du warst nicht immer nett, Lindz. Oder freundlich. Zum Beispiel die Sachen, die du über Beth und Leute wie sie gesagt hast. Wie du über sie hergefallen bist, weil sie nicht so hübsch oder beliebt waren wie du. Du hast nie hinter die Fassade geschaut. Nie die Persönlichkeit eines Menschen wahrgenommen. Wenn die Verpackung nicht gut aussah, hattest du kein Interesse.«
Ich holte tief Luft.
»Aber auch hässliche Menschen haben Gefühle, Lindz. Wir sind wie der Rest, und ich finde, das sollte jeder wissen.«
Vorgespult
Die Sonne weckt mich früh am Morgen. Beim Blick durchs Fenster lächle ich – Nebelfetzen und dahinter blauer Himmel. Es ist Samstag und das ganze Wochenende liegt vor mir.
In diesem Moment habe ich das Haus ganz für mich allein, und ich lausche der Stille, die nur vom Zwitschern der Vögel unterbrochen wird. In einer halben Stunde werde ich aufstehen, Raggs rauslassen und das Frühstück vorbereiten. Ich werde spazieren gehen und vielleicht einen langen Ausritt machen. Bis dahin sitze ich einfach da und höre dem Morgen zu.
Als ich vom Ausritt zurück bin, will Mum, dass ich mit ihr nach Whitmere fahre. Auf halber Strecke summt mein Handy.
»Hast du nachher Zeit?«
Ich starre wie gebannt auf das Display. Auf den Absender. Dann schreibe ich: »Ja.«
»Am Kanal. 15:30. Wenn du kannst.«
Ich starre und starre. Sind sie irgendwohin unterwegs und kommen hier vorbei? Ich kann nicht glauben, dass sie zurückkommen, um zu bleiben. Ich kann diesen Gedanken nicht zulassen. Wenn ich es tue und sie bleiben nicht, dann würde mich das wieder total fertigmachen. Ich schreibe zurück: »Okay.«
Und plötzlich ist der Tag gefüllt mit Erwartung und der Qual des Wartens.
Als es endlich so weit ist und ich runter zum Kanal gehe, bleibe ich kurz vor dem Pfad stehen und spähe durch die Zweige. Aber da ist kein Boot, nur das rostbraune Wasser, so weit das Auge reicht.
Ich blicke auf die Uhr. Es ist drei und die Sonne hängt schwer und träge am Himmel. Ich weiß mittlerweile, wie schnell ein Hausboot fahren kann. Wenn sie wirklich auf dem Weg hierher wären, müsste ich sie schon sehen.
Ich sitze mit dem Rücken an eine Erle gelehnt da und warte und warte.
Der Minutenzeiger auf meiner Uhr kriecht vorwärts, aber ich kann in der Ferne kein Boot erkennen.
Ich frage mich, ob alles ein schlechter Scherz ist. Hat er sich so sehr verändert, dass er mir das antut? Seit sechs Monaten habe ich ihn nicht mehr gesehen. Vielleicht ist er jetzt ein völlig anderer Mensch – jemand, der sich nicht mehr um diejenigen sorgt, die ihn brauchen.
Vielleicht stecken sie an einer Schleuse fest. Aber würde er dann nicht anrufen?
Das Summen der Insekten über dem Wasser und das Vogelgezwitscher aus den Bäumen werden vom Dröhnen eines Motorrads übertönt. Ich nehme das neue Geräusch nur mit halbem Ohr war. Bestimmt eine von diesen kleinen Maschinen, auf denen die Jungs von den Bauernhöfen immer rumfahren. Wahrscheinlich ist jemand unterwegs zum Melken.
Das Motorrad bleibt auf der
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