Sklaverei
allabendlich in Filmen und Serien nur mehr belächelt werden.
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Lydia Cacho steht in der besten Tradition der großen Aufklärer: Sie argumentiert kritisch gegen den Aberglauben von der selbstbestimmten Wahl von Prostituierten, sie verlässt sich nicht auf fremde Urteile, sie sucht nach Gründen, sie prüft, sie zweifelt, an anderen Überzeugungen und an den eigenen, sie lässt keine Wut zu, keine vorschnellen Ressentiments, sie macht es sich nicht leicht, sondern sie will wissen, worüber sie spricht, und sie will den Schleier der Gleichgültigkeit, der die Misshandlung und Ausbeutung von Frauen und Kindern deckt, zerreißen.
Der Mut der Lydia Cacho besteht nicht nur darin, den Drohungen der Handlanger der Politiker, Polizisten, Zuhälter und Menschenhändler, über deren Verbrechen sie schreibt, zu trotzen. Ihr Mut besteht darin, sich den trostlosen Geschichten der vergewaltigten Mädchen und Kinder auszusetzen, ihr Mut besteht darin, weiter zuzuhören, nicht aufzuhören mit ihrer Arbeit, obgleich das Elend in der globalisierten Welt der sexuellen Ausbeutung und Sklaverei, über das Lydia Cacho schreibt, unerträglich ist.
Einleitung
Als ich sieben Jahre alt war, warnte meine Mutter meine Schwester und mich, wenn wir auf die Straße gingen, sollten wir der Kinderfängerin aus dem Weg gehen. Die Kinderfängerin war eine alte Frau, von der es in der Nachbarschaft hieß, sie entführe Kinder: Sie locke sie mit Süßigkeiten in ihr Haus und verkaufe sie dann an Fremde. Damals kam mir die Geschichte wie ein Schauermärchen von Charles Dickens vor. Doch vier Jahrzehnte nach den Lektionen meiner Kindheit musste ich erfahren, dass dies keineswegs der Fall war und dass sich die Verschleppung von Frauen und Kindern zu einem der gravierendsten Probleme des 21 . Jahrhunderts entwickelt hatte. Für die meisten Menschen klingen Worte wie »Frauen-« oder »Mädchenhandel« wie ein fernes Echo aus grauer Vorzeit, als Piraten junge Frauen verschleppten und in fernen Ländern in Bordelle verkauften. Wir haben uns lange dem Glauben hingegeben, dass die Modernisierung und die globalisierte Marktwirtschaft mit der Sklaverei aufräumen würden und dass die Kinderprostitution, die sich noch in einigen dunklen Ecken der »unterentwickelten Welt« hielt, beim bloßen Kontakt mit den Gesetzen und der Zivilisation des Westens verschwinden würde. Die Recherchen, die ich für dieses Buch angestellt habe, belegen das genaue Gegenteil. Wir beobachten heute weltweit ein explosionsartiges Wachstum von kriminellen Netzwerken, die Mädchen und Frauen verschleppen, verkaufen und versklaven. Die Kräfte, die angeblich die Sklaverei beseitigen sollten, haben ihr in Wirklichkeit zu einer beispiellosen Expansion verholfen. Wir leben heute in einer Kultur, in der die Verschleppung, der Handel, der Missbrauch und die Zwangsprostitution von Mädchen und jungen Frauen zunehmend normal werden. Diese Kultur fördert die Verdinglichung des Menschen und tut so, als handele es sich dabei um eine Errungenschaft der Freiheit und des Fortschritts. Angesichts ihrer Versklavung durch eine unmenschliche Marktwirtschaft, die man der Menschheit aufzwingt und als unvermeidliches Schicksal verkauft, wählen Millionen von Frauen die Prostitution als geringeres Übel und ergeben sich in die Ausbeutung, die Misshandlungen und die Macht des organisierten Verbrechens.
Mafiosi, Politiker, Militärs, Unternehmer, Industrielle, religiöse Führer, Bankiers, Polizeibeamte, Richter, Auftragsmörder und ganz gewöhnliche Menschen – sie alle bilden das gewaltige Netzwerk des internationalen Verbrechens. Der Unterschied zwischen Einzeltätern beziehungsweise regional agierenden Banden einerseits und den globalisierten Verbrechersyndikaten andererseits liegt in der Strategie, den Methoden und der Vermarktung. Die internationalen Kartelle verdanken ihre Macht zweifelsohne der Tatsache, dass sie sich, egal wo sie aktiv werden, über den Weg der Korruption erheblichen wirtschaftlichen und politischen Einfluss verschaffen können. Der Kitt dieses Netzwerks ist die sexuelle Befriedigung, über die alle Beteiligten an den Früchten der Zwangsprostitution teilhaben: Die einen schaffen den Sklavenmarkt, andere beschützen ihn, und wieder andere fragen die menschliche Ware nach.
Das organisierte Verbrechen ist eine illegale Unternehmung mit dem Zweck der Gewinnerzielung. Die Akteure werden wechselweise als Gangsterbanden, Mafia, Syndikate oder Kartelle bezeichnet. Sie gehören
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