Skorpion
auskommen‹?«
Marsalis zuckte mit den Schultern. »He, was soll ich dazu sagen? Geben Sie der Polung die Schuld!«
Névant auf dem Boden kicherte erneut, durch Blut und gebrochene Nase hindurch.
27
Seine Hand musste geklebt werden, und in der Wunde waren immer noch winzige Glassplitter. Er saß in der Notaufnahme des UN-Krankenhauses in Fenerbahce und wartete geduldig, während ihm eine Krankenschwester die Wunde säuberte. Von oben kam gleißendes Licht, und ein Bildschirm in der Ecke – er hätte gut ohne leben können – zeigte eine mikroskopische Vergrößerung der Wunde, wie sie behandelt wurde. Er sah betont woanders hin.
Ertekin hatte eigentlich die COLIN-Einrichtung auf der europäischen Seite aufsuchen wollen, konnte jedoch nichts dagegen einwenden, dass das Krankenhaus der UNO gleich um die Ecke lag. Sie benötigten weniger als fünf Minuten in einem Taxi – und hatten dann die blutige Promenade und den Menschenauflauf, die gaffende Menge hinter sich gelassen und gegen die ruhigen Wohnstraßen von Fenerbahce und die Willkommensbeleuchtung an der bescheidenen, in Nanobauweise errichteten Frontseite der medizinischen Einrichtung eingetauscht. Jetzt war Ertekin mit Battal Yavuz und Névant verschwunden, den Korridor hinab dorthin, wo man sich um die Verletzungen des Franzosen kümmerte. Vermutlich wollte sie die Geschichte aus der Sicht des anderen Dreizehners hören. Darüber hinaus schätzte er, dass sie immer noch ein wenig benommen von der Rauferei war, und er konnte es ihr kaum übel nehmen. Der Stress seines Zusammentreffens mit Névant sang noch in seinem eigenen Blut, und zwar mehr, als er nach außen hin zeigte.
Die Tür ging auf, und ein Türke in einem Anzug schlüpfte gähnend herein. Ergrautes Haar und dazu passender kurz gestutzter Schnauzbart, nicht ganz glatt rasiertes schiefergraues Kinn. Der Anzug war teuer, und er trug dazu eine sorgfältig gebundene Seidenkrawatte. Nur die vom Schlaf verquollenen Augen und das Gähnen waren Anzeichen für das Bett, aus dem man ihn gerade geholt hatte. Der schläfrige Blick lag einen Moment lang abschätzend auf Carl, dann murmelte der Neuankömmling der Krankenschwester etwas zu, die sogleich ihre mit Mikrokamera ausgestatteten Werkzeuge niederlegte und sich entschuldigte. Die Tür schloss sich lautlos hinter ihr. Carl hob eine Braue.
»Werde ich hierfür eine Rechnung bekommen?«
Der Türke lächelte pflichtschuldig. »Sehr komisch, Mr Marsalis. Natürlich stehen Ihnen als lizensiertem UNGLA-Berater sämtliche unserer Gesundheitsleistungen kostenfrei zur Verfügung. Deswegen bin ich nicht hier.« Er trat heran und streckte die Hand aus. »Ich bin Mehmet Tuzcu, Sonderbeauftragter der UNGLA.«
Wegen der Verletzung ergriff Carl die andere Hand nur vorsichtig. Er blieb sitzen. »Und was kann ich für Sie tun, Mehmet Bey?«
»Ihre Eskorte von COLIN ist im nächsten Stockwerk.« Tuzcus Blick zuckte zur Decke. »Auf der Rückseite dieses Gebäudes wartet ein Transportmittel auf Sie. Wir werden ungesehen über den Lastenaufzug nach unten fahren. In einer halben Stunden können wir Sie in ein Suborbital nach London bringen, aber…«, ein Blick auf eine schwere stählerne Uhr, »… wir müssen uns beeilen.«
»Sie. Retten mich?«
»Wenn Sie wollen.« Wieder das geduldige Lächeln. »Man erwartete Sie in New York, aber die Ereignisse haben uns anscheinend überrollt. Jetzt müssen wir wirklich…«
»Ich, äh.« Carl gestikulierte mit seiner fast versorgten Hand. »Ich muss wirklich nicht gerettet werden. COLIN beraubt mich nicht meiner Freiheit.«
Das Lächeln verblasste. »Trotzdem sind Sie Teil einer unautorisierten Rückholoperation. COLIN bricht das Münchener Abkommen, weil es Sie in dieser Sache beschäftigt.«
»Ich werd’s ihnen ausrichten.«
Tuzcu runzelte die Stirn. »Sie weigern sich, mit mir zu kommen?«
»Ja.«
»Darf ich nach dem Grund fragen?«
Frag nur zu, war er versucht zu sagen. Habe mich dasselbe auch schon gefragt und bislang noch keine halbwegs intelligente Antwort gefunden.
»Kennen Sie Gianfranco di Palma?«
Tuzcus Blick wurde achtsam. »Ja. Ich bin Signore di Palma mehrmals begegnet.«
»Schleimscheißer, nicht wahr?«
»Worauf wollen Sie hinaus, bitte?«
»Sie haben mich nach einem Grund gefragt. Richten Sie di Palma aus, dass das passiert, wenn man seine lizensierten Handlanger auf eine Kopfjagd ohne Gewinn/ohne Honorar loslässt und die Erstattung der Kosten drei Monate hinauszögert. Da
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