Skorpion
leben und atmen diese Leute. Es gibt Monster, es gibt das Böse, und es ist irgendwo da draußen im Dunkeln. Hu-huuu-hu. Weißt du, ein paar Jahre, bevor ich nach Peru bin, hat Manco ein Gerücht in die Welt gesetzt, dass er Pistacos habe, die für ihn arbeiteten. Ausgleich für diese Gebietsstreitigkeiten, die sie damals ’03 hatten.«
Carl nickte. Auf dem Mars hatte er erlebt, dass die familias ähnlich mit den geistig weniger bemittelten Arbeitskräften der Hochlandinitiative verfahren waren. Ihm war selbst mehrmals eine Arbeit als Pistaco angeboten worden, ungeachtet seiner Hautfarbe.
»Hat funktioniert, vermute ich.«
»Ja, ziemlich gut. Eine Weile lang.« Névant schnaubte angewidert und kippte einen weiteren mächtigen Schluck seines Rakis hinunter. »Manco war so verdammt zufrieden mit sich selbst, dass er nicht sehen wollte, wie alles zusammenkrachte, sobald einer seiner falschen Pistacos gerufen wurde und kläglich versagte. Ich hatte es ihm gesagt – wenn er meinem Entwurf gefolgt wäre, wäre die Furcht vor Ungeheuern echt gewesen. Echte, bis auf die DNS ehrliche Monster hätten seinen Willen nachdrücklich durchgesetzt. Etwas, um jeden in Angst und Schrecken zu versetzen, nicht bloß die Analphabeten. Überleg nur, was geschehen wäre, wenn unter den familias dieses Gerücht die Runde gemacht hätte, und sie hätten einen verdammten Dreizehner zu dir geschickt?«
»Stets unter der Annahme, du und deine zukünftige Armee von Dreizehnern hätten es besser hingekriegt als Mancos falsche Tayta.«
Névant sah ihn an. »Du hast kürzlich viele Zweikämpfe gegen normale Menschen verloren?«
»Nein. Aber wie du mir gerade gesagt hast: Es sind nicht die Tatsachen, an die sich die Menschen halten. Vielleicht brauchte Manco keine echte Bedrohung. Oder er brauchte sie zumindest nicht genügend, um sich mit einer Bande verdammter Verdrehter zusammenzutun.«
»Hatte keine Probleme dabei, sich mit dieser Hibfotze Jurgens zusammenzutun«, meinte Névant säuerlich. »Erstaunlich, wie sich Vorurteile verflüchtigen, wenn zum Ausgleich ein prächtiger Vorbau drinliegt.«
»Greta Jurgens?« Carl rief eine vage Erinnerung an eine träge, grauäugige blonde Frau herauf, die er auf seiner Suche nach Névant vor drei Jahren befragt hatte. Sie hatte die Außenvertretung für Manco in Arequipa übernommen. »Sie war eine Hibernoide?«
»Ja, war sie. Warum?«
Carl zuckte mit den Schultern. »Nur so. So, wie Manco über die ganze Kiste mit den Verdrehten gesprochen hat, ist es merkwürdig, dass er einen so weit oben auf der Leiter toleriert haben soll.«
»Wie gesagt, sieh dir den Vorbau an! Den Arsch. Und he, meines Wissens nach bringen Hibs ein paar Sachen mit deinem Schwanz zuwege, die du von einer menschlichen Frau nicht kriegen kannst.«
Carl nippte an seinem Drink und schüttelte den Kopf. »Das wären Bonobos, und selbst bei denen ist das viel Lärm um Nichts. Und überhaupt und sowieso, wenn Manco so einen Nervenkitzel haben will, kann er nach Lima runter und sich seine Sammlung an abartigen Puffs aussuchen. Komm schon! Das passt nicht zusammen.«
»Na gut, dann ist es vielleicht so, dass es Verdrehte gibt und Verdrehte.« Névant schürzte die Lippen. »Nicht viele Leute haben Schiss vor denjenigen, deren Kabinettstückchen darin besteht, sich einzurollen und vier Monate am Stück zu schlafen. Keine sonderliche Bedrohung deiner Männlichkeit, das. Schiss muss man nur vor Leuten wie uns haben, bei denen sie den Drang verspüren, sie wegzuschließen und ihnen die Nachkommenschaft zu verweigern.«
Carl sah das Besteck auf dem Tisch an. Er nickte ein wenig traurig. »Leute wie du. Sie schließen Leute wie dich weg. Ich, ich bin lizensiert.«
»Domestiziert, meinst du.«
»Nenn es, wie du willst. Du kannst die Uhr nicht um zwanzigtausend Jahre zurückdrehen, Stéphane.«
Névant zeigte wieder dieses wölfische, einem Knurren gleiche Grinsen.
»Nein?«
»Sehen Sie, vor langer, langer Zeit«, sagte Yavuz gerade, »war Furcht eine einigende Kraft. Damals, als man ein Land mit Xenophobie stark machen konnte. Das ist das alte Modell, die Sache mit der Nation als Festung. Aber man kann nicht in einer Festung leben, wenn das ganze Leben auf globaler Unabhängigkeit und globalem Handel beruht. Sobald das einmal geschieht, werden xenophobische Tendenzen zu einem Handicap, in Groombridges Worten zu einem nicht-adaptiven Merkmal. Sie zitiert…«
Unten an der Promenade Splittern und Klirren von Glas. Sevgi fuhr
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