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Skorpion

Skorpion

Titel: Skorpion Kostenlos Bücher Online Lesen
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eigennützige Heuchelei schmeckte, verließ dennoch im Sturm die Türkei, ohne sich jemals noch umzuschauen.
    Später jedoch, als wären sie eine Art Familienfluch, sollte Sevgi den Wolfeisen-Handschellen selbst über den Weg laufen.
    »Sie ist Polizistin«, erklärte Marsalis für sie und überbrückte damit ihr jähes Schweigen. »Ich gehe davon aus, dass ihr die Hardware vertraut ist.«
    Sie war damals Polizistin, entwickelte aber erst, nachdem sie knapp zwei Jahre dabei gewesen war, ihre Vertrautheit mit der Hardware. Das Dezernat für interne Affären war wie eine Bombe auf dem Hundertachten gelandet und bearbeitete gerade einen Fall gegen eine Gruppe von Detectives, die ihres Wissens nach Handschellen bei hartgesottenen Verdächtigen angewendet hatten – aber wer, zum Teufel, konnte wirklich die Logik dessen ergründen? Es war der Versuch gewesen, durch Drohungen ein brauchbares Geständnis zu kriegen. Während des Verhörs war der Druck ein wenig zu stark geworden. Eine junge Sevgi Ertekin wurde auf Grund von Verbindungen mit in die Sache hineingezogen, allerdings rasch vom Verdacht freigesprochen, musste jedoch trotzdem auf einem Feld im Norden des Staates New York anwesend sein und zusehen, während der Dunst dicht über der Brache lag, zuhören, während der maschinelle Spaten in einem präzisen Rhythmus aus Kratzen und Knirschen die Erde aushob, und sich schließlich übergeben, als der Grabungsroboter sanft die drei neun Wochen alten Leichen und deren von Handschellen abgetrennte Hände exhumierte.
    Willkommen beim NYPD!
    Schwacher Trost – sieh’s doch mal so, Sev, wollte ihr ein Mit-Polizist damals einreden –, dass die Handschellen, in der Union längst für ungesetzlich erklärt, heimlich durch den Schwager eines der verurteilten Detectives über Jesusland ins Hundertachte geraten sind, einem leitenden Beamten für die Ausstattung von Privatpolizei in Alabama. Die Vollstrecker des republikanischen Gesetzes machten – natürlich – noch immer und weit verbreitet Gebrauch von den Handschellen, trotz dreier internationaler Verträge und eines nominellen föderalen Gesetzes, das außer in Illinois noch überall ratifiziert werden musste.
    Sieh’s doch mal so, Sev…
    Das Dezernat für interne Affären ließ sie schnell genug in Ruhe, sodass an Beamtin Ertekin nichts im Hinblick auf Kollaboration hängen blieb; noch besser war, dass ihr beispielhafter Balanceakt zwischen Loyalität gegenüber ihren Kollegen und ihren Berufspflichten führenden Köpfen weiter oben auffiel, die ihr, Jahre in der Zukunft, eine glatte Versetzung zur Mordkommission in der Innenstadt ermöglichten.
    Sieh’s doch mal so, Sev…
    Den toten Männern auf dem Feld würde kaum jemand eine Träne nachweinen – alle drei hatten Vorstrafen als Sexsklavenhändler, die junge Frauen aus der Republik über die Grenze holten und ihnen lukrative, leichte Arbeit inmitten der hellen Lichter versprachen. Die Frauen wurden dann mit Vergewaltigung und Schlägen gefügig gemacht, bis die meisten wie betäubt zur Arbeit gingen und ihre Körperöffnungen für die zahlenden Männer am unteren Ende von New York zur Verfügung stellten.
    Sie hielt sich an den schwachen Trost, wie ihr geraten. Das ganze Frühjahr über sah sie es so, aber letztlich endete es doch bei dem Gestank verwesten menschlichen Fleisches im Dunst des frühen Morgens. Etwas hatte sie an jenem Tag verändert – sie sah das Wiedererkennen in Murats Augen, als sie hinterher zu ihm heimkehrte. Es war der Tag, an dem er mit dem Versuch aufhörte, sie davon überzeugen zu wollen, dass es bessere Karrierewege gäbe als die Polizei, vielleicht, weil er erkannte, dass sie, wenn sie deswegen nicht den Dienst verließ, es dann niemals täte.
    Névant ließ das Hosenbein über die Fessel herabfallen, und sie kehrte blinzelnd in die Gegenwart zurück. Eine kleine Blase der Stille breitete sich in der Wartezone aus.
    »Ich habe geglaubt, die seien in Europa illegal«, meinte sie schließlich, um das Schweigen zu brechen.
    »Bei Menschen«, stimmte Névant zu und schoss Marsalis einen Blick zu. »Bei Dreizehnern jedoch, nun ja, da kann man nicht vorsichtig genug sein. Nicht wahr, Marsmensch?«
    Der schwarze Mann zuckte mit den Schultern. »Kommt drauf an, wie schlau man ist, würde ich sagen.«
    Er sah zu, wie Yavuz den Franzosen hinausbrachte und ihn ohne ein weiteres Wort oder ohne weitere Regung in den zugewiesenen UN-Tropfen verfrachtete. Sein Gesicht hätte aus Anthrazit geschnitzt

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