Skorpione im eigenen Saft
Pistole drin: einer schweren Astra Automatik A-80, die erst vor kurzem geölt worden war, das Magazin lag daneben, war aber voll, und weitere fünfzehn Patronen vom Kaliber neun Millimeter Parabellum lagen verstreut in der Schublade herum. Ich schnupperte an der Kanone – ich schwärzte mir mit einem lächerlichen Ölfleck die Nasenspitze, worauf ich auf der Straße hingewiesen wurde –, nach Pulver roch sie nicht; laut dem, was ich aus Gangsterfilmen gelernt hatte, bedeutete das, dass die Knarre länger nicht benutzt worden war.
Die zweite Schublade barg eine Sammlung scharf geschliffener Messer unterschiedlicher Herkunft und Zweckbestimmung, die auf granatrotem Samt lagen. Es gab ein großes Klappmesser aus Albacete, das aufgeklappt dalag, einen krummen maurischen Dolch aus dem Rif, einen schlangenförmigen malaiischen Kris, ein riesiges Gurkhamesser und – ein Schauer überlief mich, als ich die drei letzten erkannte und betastete: ein Chirurgenbesteck, einen bedrohlichen Genickfänger für den tödlichen Stoß beim Stierkampf und eines der Schlachtermesser, die man zum Auslösen des Fleischs benutzt.
Ich achtete peinlichst darauf, dass ich an dieser ausgefallenen Sammlung nichts veränderte und schloss die Schublade. Ein Gefühl von Missbehagen und Unwohlsein befiel mich. Um es wieder loszuwerden, versuchte ich mir einzureden, dass es zu einem so merkwürdigen Typen wie Antón Astigarraga passte, eine so kunterbunte Sammlung an einem so ungewöhnlichen Ort aufzubewahren, und dass es eben nur das sei: eine Sammlung …
Vielleicht war ja das Schlachtermesser nur aus Versehen dort hineingeraten.
Außerdem kam ich zu der Feststellung, dass viel mehr Leute, als man glaubte, heimlich Schießprügel besaßen, und nicht ohne Grund in einer so rachsüchtigen und grausamen Region wie dieser, wo ein Großteil der Bevölkerung Angst davor hatte, einen Genickschuss verpasst zu bekommen.
Jedenfalls betrachtete ich von diesem Tag an den bewaffneten Koch mit einer gewissen Befangenheit.
Ich durchsuchte die restlichen Schubfächer und Regale für den Fall, dass sie weitere beunruhigende Gegenstände bargen; glücklicherweise war dem nicht so. Allerdings entdeckte ich in der Bibliothek vor den gesammelten Werken von Edgar Allan Poe einen ungewöhnlichen Gegenstand: einen prunkvollen Orden. Ich weiß nicht viel über diesen militärischen Schnickschnack, aber ich hätte schwören können, dass es das Lorbeerkreuz von San Fernando war – später sollte es sich bestätigen –, eine Auszeichnung, ich glaube die höchste, die ausschließlich an Soldaten und nur für besonders heroische Taten verliehen wird.
Asti war Soldat gewesen? Erst konnte ich es mir nicht so recht vorstellen. Vielleicht handelte es sich ja um ein Familienerbstück. Jedenfalls war es ein weiteres geheimnisvolles Element, was seine Person und Biografie anging.
16
E in Zwischenfall, der Anfang Mai das trinkende Bilbao – das heißt, ganz Bilbao – erschütterte und meine Pläne unerwartet beschleunigte, führte dazu, dass ich meine Vorbehalte gegen Asti zwar nicht vergaß, sie aber zumindest in schwer zugängliche Regionen meines Gehirns verbannte.
Die Rigoitia-Zwillinge waren tot in ihrer Kneipe, dem Twins, aufgefunden worden; alles wies darauf hin, dass sie sich gegenseitig umgebracht hatten.
Man fand sie hinter dem Tresen, jeder in seiner gewohnten Ecke. Im Moment des gegenseitigen Brudermords, der gegen sechs Uhr abends stattgefunden haben musste, hatten die Zwillinge gerade bei verschlossenen Türen einen Imbiss zu sich genommen. Josemari hatte einen Teller mit ein paar Stückchen Idiazabal-Käse, einen mit Salamischeiben aus Salamanca, ein paar Stücke Rundbrot aus Lemona und ein Glas Rotwein vor sich stehen, am anderen Ende des Tresens Julián das gleiche. Die Flasche, aus der sie nachschenkten, ein Gran Feudo von Julián Chivite, ein Crianza von fünfundneunzig, stand in der Mitte des Tresens, gleich weit von den beiden entfernt.
Julián hatte einen zertrümmerten Schädel, neben ihm lag die schwere Skulptur eines barrijasotzaile, der eine n k ubischen Stein hochhielt, dessen scharfe Kanten die Zerstörung angerichtet hatten … Joseman war durchbohrt von Messerstichen, die ihm – so die Vermutung – sein Bruder mit dem Messer zugefügt hatte, mit dem sie den Käse und die Salami geschnitten hatten.
Genau wie die Ursache für die gegenseitige Achtung, die sie über so viele Jahre aufrechterhalten hatten, blieb der Grund für den
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